Der Biggest Loser von Oelsnitz

Lampertswalde/Oelsnitz. An diese Begegnung auf dem Dresdner Flughafen kann sich Dominik Richter noch sehr gut erinnern. Als er bei einer Dienstreise auf seine Maschine nach Köln wartete, lief ihn Sandy Mölling über den Weg. Die Sängerin der ehemaligen Mädchenband No Angels ließ sich gern mit ihm fotografieren. Damals wog der junge Oelsnitzer 187 Kilo! Auf dem Foto, das er auf Facebook veröffentlichte, steht er neben der schlanken Blondine. Auf vielen anderen Fotos aus dieser Zeit ist er meistens nur im Hintergrund zu sehen.
„Ich war schon immer dick, schon von klein auf“, erzählt der 26-Jährige, dem man das heute überhaupt nicht mehr ansieht. Im November überraschte der Lampertswalder CDU-Ortsgruppenchef erstmals mit neuen Bildern von sich. Er hatte ein Selfie ins Internet gestellt. Rank und schlank steht er da – mit einem Hemd, in das er sich ein paar Monate zuvor noch hineinzwängen musste und dessen Kragen er nicht zuknöpfen konnte. Genau das gleiche Hemd hing nun an ihm herunter wie eine Gardine, als wäre es zehn Nummern zu groß. Auf Facebook waren viele, die Dominik Richter von früher kennen, perplex und gratulierten ihm für sein neues Aussehen. Dass er jemals schlank sein würde, hatten ihm nur wenige zugetraut. Auch ein ehemaliger Vorgesetzter nicht. Der sagte ihm während der Ausbildung in einem Discountermarkt: „Wir denken nicht, dass Sie die Leistung als Marktleiter schaffen.“

Doch er hatte nicht mit dem Willen von Dominik Richter gerechnet. „Viele denken ja sofort, wer fett ist, der ist auch faul“, sagt der Oelsnitzer. Doch das stimmt nicht. Er ging seinen Weg – auch mit dem vielen Speck auf den Rippen und wurde Marktmanager. Erst in Jüterbog, jetzt in Ortrand. Aber die verletzende Aussage seines ehemaligen Vorgesetzten wurmte ihn sehr. Bereits ab Frühjahr 2015 nahm er an einer anderthalbjährigen Ernährungsberatung und einem zeitgleichen Reha-Sportprogramm teil. Das und ein anschließendes psychologisches Gutachten sind die Voraussetzung, um für eine Operation im Adipositaszentrum des Städtischen Klinikums Dresden infrage zu kommen.
Ermuntert von Freunden und Kollegen rief er dort im November 2017 an und wurde in ein Sonderprogramm für AOK-Mitglieder aufgenommen. Am 29. Mai letzten Jahres wurde ihm in Dresden ein Magenbypass gelegt. Dabei nähten ihm die Ärzte den Dünndarm direkt an die Speiseröhre an. Auch Leber und Bauchspeicheldrüse wurden mit dem Dünndarm verbunden. Die körpereigenen Säfte, die die Nahrung zersetzen, werden dadurch erst später dazu gemischt. Die Verdauung verschlechtert sich, weil sie erst im Darm stattfindet. Der Patient nimmt auch weniger Nahrung auf. So erläutert die leitende Oberärztin Dr. Miriam Dreßler die Funktionsweise nach dem Eingriff.
Magenbypass-Operationen seien schon seit den 1970er Jahren bekannt. „Deutschland ist dabei noch ein Entwicklungsland“, sagt sie. „Aber in letzter Zeit haben diese Operationen deutlich zugenommen.“ Nicht nur, weil es mehr übergewichtige Menschen gebe. Der Magenbypass sei auch für junge Diabetiker eine Chance, ihre Krankheit loszuwerden.

Dr. Miriam Dreßler kann sich noch gut an Dominik Richter erinnern. Heute wiegt er 105,6 Kilo, also mehr als 80 Kilo weniger. Bei einer Größe von 1,82 Meter wären 82 Kilo sein Idealgewicht. 90 Kilo sind sein Ziel. „Das ist durchaus drin“, sagt die Oberärztin. Die meisten Patienten würden in den ersten beiden Jahren nach der Operation 70 bis 80 Prozent ihres Übergewichtes verlieren. „Am Anfang geht es ziemlich schnell, aber mit der Zeit reguliert sich die Gewichtsabnahme von selbst“, sagt sie, „denn der verkleinerte Körper braucht auch weniger Energie.“
Das kann Dominik Richter bestätigen. „Ich bestelle mir eine Kinderportion oder eine Vorspeise als Hauptgang“, erzählt er. „Außerdem vertrage ich seit der OP manches nicht mehr.“ Zum Beispiel Kohlensäure. Cola ist für ihn genauso tabu wie Bier. „Das ist für die Parteiarbeit nicht gerade förderlich“, witzelt er. Denn die meisten CDU-Sitzungen würden in der Kneipe stattfinden. Auf Bier könne er gut verzichten. Aber eine Einschränkung wird ihn sein ganzes Leben begleiten. Aller drei Monate muss er eine Vitamin-B12-Spritze erhalten. „Das ist okay“, sagt Dominik Richter. „Dafür habe ich mir andere Dinge vom Hals gehalten.“ Zum Beispiel Diabetes und die Abnutzung der Gelenke.
Auch das Leben ist einfacher geworden. Jetzt kann er in ein ganz normales Bekleidungsgeschäft gehen und sich T-Shirts von der Stange kaufen. In den Winterferien war er das erste Mal mit seinem Neffen im Hallenbad. „Früher habe ich mir Gedanken gemacht, dass die Leute reden: Was macht der Dicke hier?“, erzählt er und fügt hinzu: „Nein, ich habe die OP nicht bereut.“