„Kein Verständnis für systemfeindliche Zündler“

Herr Mackenroth, hat die Corona-Pandemie nicht auch ihr Gutes? Haben Sie als Chefs des Weißen Rings nicht weniger zu tun?
In der Tat war es in den letzten Wochen sehr ruhig, aber natürlich auch deshalb, weil auch unsere Mitarbeiter in den Außenstellen im Homeoffice gearbeitet haben. Die tagesaktuelle Arbeit für die Opfer von Straftaten und Gewalt ist trotzdem weitergegangen.
Dafür steigt vielleicht die häusliche Gewalt an. Ist das so?
Bisher haben wir dafür keine Anzeichen. Es könnte aber eine deutliche Steigerung der nachgelagerten Anzeigen geben.
Was haben Sie für Ratschläge für Menschen, die im Homeoffice arbeiten, vielleicht noch Kinder betreuen und lange unter Kontaktbeschränkungen litten?
Dieses Virus ist eine Zumutung für alle. Ich sehe an unseren vier Kindern mit den neun noch nicht schulpflichtigen Enkelkindern, wie extrem belastend die Situation ist. Diese fordernde Zeit geht ja nun hoffentlich ihrem Ende entgegen. All das, was wir jetzt auf uns nehmen, hilft, die gefürchtete zweite Welle zu vermeiden.
Wie sieht es mit der Spendenbereitschaft der Menschen aus?
Wir verzeichnen derzeit keinen Rückgang im Spendenaufkommen, eher im Gegenteil. Die Menschen haben jetzt offenbar Gelegenheit nachzudenken darüber, was wirklich wichtig ist. Und dazu gehört natürlich auch die Solidarität mit den Menschen, die Hilfe brauchen.Immer mehr Menschen sind mit der Corona-Politik nicht zufrieden und protestieren dagegen.

Wie sehen Sie das?
Das Demonstrationsrecht ist Teil unserer Meinungsfreiheit und ein Grundrecht, das ich mit Klauen und Zähnen verteidigen werde. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, dass jeder tun und lassen kann, was er will. Jeder hat sich an die demokratischen Regelungen zu halten, wenn er das nicht tut, wird er die Folgen aushalten müssen. Der Staat reguliert nicht zum Vergnügen. Ich habe Verständnis für Kritik und andere Meinungen. In der Tat ist ja nicht alles so gelaufen, wie man es sich wünschen würde. Aber eins bleibt klar: Gewalt geht gar nicht, ist das Gegenteil von Meinungsfreiheit.
Ist da eine große Nähe zu Pegida?
Ich sehe auch Unterschiede: Pegida war ein Ost-Phänomen, das Corona-Virus trifft die gesamte Welt. Der Vorwurf, dass unsere Regierung dem Virus in Deutschland Tür und Tor geöffnet hat, ist abwegig. Im Gegenteil: Uns geht es im internationalen Vergleich gut. Von der Pandemie hat man im Alltag bei uns kaum etwas bemerkt, auch wenn die Bilder und die Berichte aus den Krankenhäusern furchtbar sind. Das befördert ja gerade das sogenannte Präventionsparadoxon.
Jede Regierung hat da schlechte Karten: Stellt sich später heraus, es ist nichts passiert, dann hat sie viel zu viel eingeschränkt, kommt es zur Katastrophe wie in Italien, Großbritannien oder vielen anderen Ländern, dann hat sie zu wenig getan. Man kann die Entscheidungen der Regierung, wenn man fair ist, nur zu dem Zeitpunkt bewerten, zu dem sie getroffen werden mussten. Und da halte ich den Grundsatz für richtig: Leben und Gesundheit von uns allen gehen im Zweifel vor.
Warum beteiligt sich die CDU nicht an dieser Bewegung, versucht sie zu verstehen?
Verständnis haben wir, auch in meiner Partei gibt es kritische Stimmen, was einzelne Anordnungen, Dauer oder Ausmaß der Grundrechtsbeschränkungen angeht. Trotzdem ist die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung so groß, dass wir der Manipulation und dem Populismus aus dem Wege gehen wollen. Einige wollen ihre parteipolitischen Süppchen kochen, extreme und verfassungsfeindliche Organisationen und Einrichtungen versuchen, diese Demonstrationen für sich zu kapern, Radikale zündeln mit Gewalt. Da müssen sich alle, die mit marschieren, darüber im Klaren sein, mit wem sie sich da gemein machen. Für Hygienedemos selbst ernannter Widerstandskämpfer, für systemfeindliche Zündler habe ich kein Verständnis.
Die Flüchtlingswelle hat unser Land tief gespalten. Jetzt in der Corona-Zeit droht eine neue Spaltung. Was kann man politisch dagegen tun?
Wir haben ja in der Flüchtlingskrise gelernt, wie damit umzugehen ist. Ich glaube, die Menschen haben einen Anspruch darauf, zu wissen, dass und warum wir ihr Leben so drastisch beschränken. Aufklärung und Information sind wichtig. Das hilft leider dann nicht mehr, wenn die Menschen Fakten ausblenden, die Pandemie bagatellisieren, sie auf die leichte Schulter nehmen, weil sie unsichtbar ist und bisher nicht so sonderlich viel passiert ist bei uns.
Wie geht es im Landkreis Meißen weiter? Wer wird neuer Landrat?
Ich möchte auch diese wichtige Wahl für meine Partei gewinnen mit einem Kandidaten, der die Menschen durch Persönlichkeit, Erfahrung und Leistung überzeugt. Ein Landrat braucht zudem Autorität und Akzeptanz, muss Verwaltungsabläufe kennen. Arndt Steinbach vereint diese Eigenschaften vorbildlich. Wir haben derzeit zwei Bewerber: Unser Kreisvorsitzender Sebastian Fischer hat sich ins Spiel gebracht, und unsere Kreistagsfraktion hat den Bürgermeister von Zeithain Ralf Hänsel nominiert.
Die drohende Kampfkandidatur spaltet unsere Partei im Kreis schon jetzt tief und signalisiert nach außen Streit und Schwäche. Es wäre eigentlich Aufgabe der Kreisspitze, jetzt moderierende Gespräche zu führen und zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, bei der wir uns hinter einem Kandidaten versammeln.
Ihr Kreisvorsitzender, der selbst kandidiert, steuert das Verfahren. Ist das eigentlich richtig?
Ich habe da meine Bedenken, er ist als Beteiligter befangen und müsste damit diese Aufgaben für die Dauer des Wahl- und des Nominierungsverfahrens in die Hände seiner Vertreter legen. Dies beugt dem Vorwurf vor, er verfolge ausschließlich eigene Interessen.
Noch ein neuer Job wird frei: der eines Bundestagsabgeordneten der CDU. Wer kommt als Kandidat in Frage?
Bundestag ist Bundesliga, nicht Kreisliga. Auch hier zählen keine Äußerlichkeiten, auch nicht Alter oder Geschlecht, sondern Charakter, Substanz und Leistung. Thomas de Maiziére hat sehr große Fußstapfen hinterlassen, an denen sich die Nachfolge messen lassen muss. Bis zur Nominierung wird es hoffentlich noch gute Vorschläge geben. Wer sich zu früh aus der Deckung wagt, den bestraft das Leben.
Und wie sieht der Zeitplan aus?
Den Landrat wählen wir wohl Anfang November, den Bundestag 2021. Wir haben also Zeit. Ich halte nichts davon, jetzt hektisch alles möglichst schnell zu erledigen. Ich wäre sehr für eine gemeinsame Nominierungsveranstaltung im Herbst, bis dahin kann man die notwendigen Gespräche führen und die Dinge sich klären lassen.
Es fragte Ulf Mallek.
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