Keine Höhenangst – aber große Geldsorgen

Der Abschluss war noch mal ein Höhepunkt. Die besten Klippenspringer der Welt vor der Kulisse des Guggenheim-Museums in Bilbao. Extremer Sport vor moderner Architektur – beides ästhetisch. Von der Straßenbrücke Puente La Salve stürzte sich Iris Schmidbauer und ihre Konkurrentinnen vor 27 000 Zuschauern 20 Meter tief in den Fluss Nervion.
Die Bilder sind genauso spektakulär wie der Sport. Und für Schmidbauer ist es noch immer ein Abenteuer, aber eines, das sie nun professionell angeht. In dieser Saison, die vergangenes Wochenende in Bilbao endete, nahm sie an fünf der sieben Stationen der von Red Bull organisierten Serie teil – noch mit einer Wildcard. Im Gesamtranking landete sie auf dem achten Platz, was bedeutet, dass sie im nächsten Jahr immer starten darf, also nicht mehr auf eine Einladung angewiesen ist.
„Das ist absolut cool, weil dadurch der Druck weg ist. Ich kann mir nun auch mal einen Patzer erlauben und weiß, dass ich dann trotzdem weiter dabei bin“, erzählt die 24-Jährige. Das lohnt sich auch deshalb, weil man dabei rumkommt in der Welt. In diesem Jahr gab es Stationen auf den Philippinen, den Azoren und im Libanon. „Wir Springer kennen auch schon den Kalender fürs nächste Jahr, da sind sehr attraktive Orte dabei.“ Mehr darf sie nicht verraten.
Und es lohnt sich finanziell. Das Brause-Unternehmen aus Österreich übernimmt die Flug- und Hotelkosten zu den Wettkämpfen und zahlt Prämien – rund 10 000 Euro gibt es für die Sieger und 1.000 Euro für Platz zehn. Für Schmidbauer sind es die einzigen Einnahmequellen, Förderungen gibt es weder von der Sporthilfe noch vom Deutschen Schwimmverband. Die simple Erklärung: High Diving, wie die Sportart offiziell heißt, ist nicht olympisch. „Noch nicht“, wie Schmidbauer betont.

Solange das so bleibt, ist die Sporttherapie-Doktorandin auf Preisgelder angewiesen. Oder Sponsoren. Die bräuchte sie vor allem für die wettkampffreie Zeit, bisher blieb die Suche allerdings erfolglos. „Vielleicht habe ich nun bessere Karten, weil ich die gesamte Serie mitspringe und damit regelmäßig im Fernsehen auftauche“, hofft sie. Eurosport und Servus TV zeigen spektakuläre Bilder von den Wettbewerben.
Die Erfolge in dieser Saison führt die Bayerin auf ihre regelmäßigen Ausflüge nach Dresden zurück. Seit Januar trainiert sie am Bundesstützpunkt, vorrangig vom Zehnmeter-Turm. Höhere Anlagen, die dauerhaft stehen, gibt es nur ganz wenige weltweit. Beim Üben muss sie ihre Sprünge deshalb in zwei Phasen teilen, die sie nacheinander absolviert. „Ich habe hier einen großen Schritt gemacht, konnte mich vor allem technisch verbessern.
Das Bewegungsgefühl ist nun ein anderes und auch die Körperspannung. Ich fühle mich sicherer in der Luft“, erzählt die Späteinsteigerin, die erst mit 13 mit dem Wasserspringen anfing und dann zunächst auch nur einmal in der Woche trainierte. „Die vielen Wiederholungen – das bringt schon was“, findet sie. Für sie ist das noch immer ungewohnt. Außerdem trainiert sie in Dresden mit Tina Punzel zusammen, Deutschlands derzeit bester Wasserspringerin. Die hebt zwar hauptsächlich vom Dreimeter-Brett ab, „trotzdem kann ich mir sehr viel von ihr abschauen“, sagt Schmidbauer.
Die Ansprüche sind gestiegen
Und sie lernte einen neuen Sprung, den schwersten, den es bei den Frauen bisher gibt. Der Dreieinhalb-Rückwärtssalto mit Doppelschraube hat einen Schwierigkeitsgrad von 4,3. Zum Vergleich: Einen solch hohen Wert haben meist nicht einmal die weltbesten olympischen Turmspringer in ihrem Programm. Bei der Schwimm-Weltmeisterschaft – dort gehört High Diving seit 2013 zum Programm – Ende Juli im südkoreanischen Gwangju zeigte sie den zum Abschluss und verbesserte sich so noch auf den achten Platz. „Trotzdem war ich da nicht ganz zufrieden“, sagt sie. Ihre Ansprüche sind gestiegen.
In Dresden hat sie inzwischen eine Wohnung gefunden, mit dem Vereinswechsel zum DSC hat es allerdings noch nicht geklappt. Dabei könnte sich das lohnen. Die Stadt unterstützt derzeit neun Spitzenathleten mit Stipendien von bis zu 1 000 Euro im Monat. Darunter ist ein Sportakrobat – auch diese Sportart wartet noch auf ihre olympische Premiere. Voraussetzung für die Förderung ist die Mitgliedschaft in einem Dresdner Verein. Oder zumindest eine sich anbahnende.
Zunächst einmal steht aber Urlaub an. Und der beginnt für eine Münchnerin standesgemäß mit einem Besuch beim Oktoberfest. Danach will Schmidbauer mit dem Rucksack durch Neuseeland ziehen und irgendwann in Auckland landen. Dort startet sie mit anderen Klippenspringern die Vorbereitung auf die nächste Saison.
- Videos der besten Frauen beim Klippenspringen am Nervion River
- Video der besten Sprünge und der heftigsten Emotionen in Bilbao