Riesa steigt aus der Kohle aus

Riesa. Es gibt nicht mehr viele Leute, die ihre Wohnung noch mit Kohle heizen. Aber ein paar sind es doch. Und für sie brechen nun ungewisse Zeiten an. Auch für Jürgen Thomas aus dem Riesaer Stadtteil Merzdorf.
Der 69-Jährige ist vor Kurzem zum Kohlehandel an der Rostocker Straße gefahren. Wie so oft im Frühjahr wollte er sich zwei, drei Zentner Kohle für die Übergangszeit bestellen. Dort angekommen, wurde ihm allerdings mitgeteilt, dass der Kohlehandel Ende Juni schließt. Der Grund: Das Betriebsgelände wird verkauft. Das hatte der internationale Mineralölkonzern Varo Energy erst vor drei Jahren von der insolventen Schneider Mineralöl GmbH aus Meißen übernommen.
Jürgen Thomas war erst sprachlos, machte aber dann, was jeder an seiner Stelle in so einer Situation auch getan hätte. "Ich habe gleich 45 Zentner genommen, um über den nächsten Winter zu kommen", erzählt er. Normalerweise würden jedes Jahr 40 Zentner reichen. Doch in diesem Fall ging er lieber auf Nummer sicher.
Alternativen in Meißen und Grimma
Die Varo Energy Direct GmbH in Meißen betreibt den Kohlehandel in Riesa. Dessen Niederlassungsleiter Thomas Müller bestätigt, dass das Grundstück an einen ortsansässigen Riesaer Betrieb verkauft und aus diesem Grund der Kohlehandel in Riesa geschlossen werden soll. "Wir haben unsere Kunden über diese Absicht informiert und haben ihnen gesagt, dass wir alle Kunden gesondert anschreiben werden und ihnen eine Empfehlung aussprechen werden, bei welchem Händler sie in Zukunft ihre Kohlen bestellen können", so Müller. "Wir sind hier mit einigen Händlerkollegen in Kontakt. Konkrete Aussagen sind nicht von uns getroffen worden."
Wie Jürgen Thomas berichtet, seien ihm Kohlehändler in Meißen und Grimma empfohlen worden. "Aber egal ob Meißen oder Grimma, dann werden die Kohlen sicherlich teurer, allein schon wegen der größeren Lieferwege", sagt er. Für seine letzte Fuhre aus Merzdorf habe er knapp 13 Euro pro Zentner bezahlt. Das würde wohl in Zukunft nicht mehr reichen, befürchtet der Rentner.
Thomas, der bis 1999 Leiter der Riesaer Stadtbibliothek war, hat relativ spät sein Elternhaus übernommen. "Ich habe es isolieren und putzen lassen", erzählt er. Für eine moderne Heizung habe ihm als Rentner das notwendige Geld gefehlt.

Der Riesaer Bezirksschornsteinfegermeister Matthias Kirsten empfiehlt gebündelte Kohlen aus dem Baumarkt. "Sie sind dort teilweise relativ günstig. Viele Kunden nehmen dieses Angebot in Anspruch", sagt er. Allerdings ohne Lieferung. Und wenn doch, kostet das extra. Auch über Brennstoffhändler könnten Kohlen bezogen werden. "Reine Kohleheizungen haben wir in unserem Bereich fast gar nicht mehr. Das ist in den letzten Jahren ganz stark zurückgegangen", so Kirsten.
Das bestätigen Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Danach besitzen die Sachsen im deutschlandweiten Vergleich aber noch relativ viele Kohleeinzelöfen. 0,9 % der 2,3 Millionen Wohnungen in Sachsen werden noch mit Kohle beheizt. Das sind immerhin knapp 21.000 Wohnungen im Freistaat. Im Bundesdurchschnitt werden nur 0,2 % aller 40,6 Millionen Wohnungen in Deutschland ausschließlich mit Kohle beheizt. Die meisten Sachsen haben eine Gaszentralheizung (30,7 %), eine Fernwärmeheizung (28,4 %) oder eine Öl-Zentralheizung (13,2 %).
Eine Ära geht zu Ende
Mit dem Aus des Kohlehandels in Riesa-Merzdorf geht eine Ära zu Ende. Seit Ende der 1970er Jahre konnten die Riesaer hier ihre Kohlen kaufen. Wie Jürgen Thomas, der sich für Heimatgeschichte interessiert, berichtet, habe sich der Kohlehandel vorher am Schlachthof (heute Penny-Gelände) befunden. "Aber Kohlen und Fleisch passten nicht zusammen", so Thomas. Deshalb hatten die damaligen Stadtoberen entschieden, dass der Kohlehandel nach Merzdorf umziehen soll.