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„Keiner will das Schnitzel verbieten“

Flyer verteilen kann jeder. Thomas Berndt von Bündnis 90/Die Grünen läuft für seine Sache. Danach bleibt natürlich Zeit für ein Gespräch im Park.

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Thomas Berndt (51) läuft öfter im Großenhainer Stadtpark und in der Röderaue. In Laufschuhen, so kennt er seinen Wahlkreis Großenhain am besten. Denn der Grünen-Politiker wohnt und arbeitet in Radebeul-Dresden.
Thomas Berndt (51) läuft öfter im Großenhainer Stadtpark und in der Röderaue. In Laufschuhen, so kennt er seinen Wahlkreis Großenhain am besten. Denn der Grünen-Politiker wohnt und arbeitet in Radebeul-Dresden. ©  Kristin Richter

Großenhain. Er wohnt in Radebeul und arbeitet als Ingenieur in der Halbleiterindustrie in Dresden. Damit hält er seine eigene Lebenssituation schon für privilegiert. Deshalb ist er mit Verboten vorsichtiger als andere in seiner Partei. 

Thomas Berndt (51) tritt für Bündnis 90/Die Grünen als Landtagskandidat an. Die SZ traf ihn im Großenhainer Stadtpark.

Herr Berndt, wie sind Sie zum Wahlkreis Großenhain gekommen?

Wir haben geschaut, wie wir die Wahlkreise aufteilen, ich fand Großenhain passend, weil ich immerhin durch meinen Sport einiges kenne. Mir gefällt unwahrscheinlich das Engagement vor Ort. Die Stimmung bei den Laufveranstaltungen durch die Röderaue ist da so positiv, so engagiert, das gefällt mir. Hier komme ich immer wieder gern her.

Für die Grünen ist Großenhain eher ein schwieriges Pflaster.

Ja, obwohl auch im Landkreis Meißen der Zuspruch wächst. In Großenhain haben wir nach Jahren wieder ein Mitglied.

Was sind die klassischen grünen Landthemen?

Der Leerstand, ganze Generationen, die weg sind. Genau das Gegenteil von der Stadt. Gesund ist dieses Ungleichgewicht für beide nicht. Da mache ich mir schon Gedanken, was kann man tun, um den ländlichen Raum attraktiver zu gestalten? Man kann doch nicht die Behörden und Ämter in den großen Städte zusammenziehen und die Leute alleine lassen. Wir müssen zwei Dinge tun: Die Menschen an den öffentlichen Verkehr anbinden und an die digitale Welt.

Vieles wurde da probiert und hat nicht funktioniert, zum Beispiel Anrufbusse.

Ich stelle mir nicht vor, dass da stündlich der Bus leer durchfährt, das kann niemand finanzieren. Aber Rufbusse müssten sich doch online noch besser koordinieren lassen. Jedes Thema rührt letztlich an unserem gemeinsamen Grundthema: Wie wollen wir leben? Müssen wir zum Bäcker mit dem Auto fahren? Kann ich lokal einkaufen? Wie will ich wohnen? Muss ich in den Urlaub fliegen? 

Wenn ich alleine die riesige Flächenversieglung durch den Straßenbau zu den Gewerbegebieten in Sachsen sehe – das hat doch Konsequenzen. Immer stellt sich die Frage, will ich die oder die Folge in Kauf nehmen oder muss ich nicht besser mein Verhalten überdenken und ändern? Das muss jeder mit sich selbst ausmachen.

Das scheint mir aber ein Knackpunkt zu sein, dass das nicht jeder mit sich ausmachen wird, sondern über Verbote und Abgaben gemaßregelt wird. Wie viel Verbote braucht der Mensch? Wo schlittern wir wieder in Diktatur?

Wir erleben das zweite Jahr fataler Trockenheit. So schnell, wie sich das Klima ändert, hat das zunächst niemand angenommen. Aber es passiert. Bisher waren Klimaveränderungen immer regionale Ereignisse. Noch nie ist das so global vonstattengegangen und man kann sich das ansehen, dass das ziemlich genau mit der Industrialisierung begonnen hat, die auch global ist.

Regierungen großer Länder wie die USA, China oder derzeit Brasilien interessiert das Thema nicht einmal. Müssen wir die Welt retten?

Natürlich können wir nicht die Welt retten, aber wir fangen wenigstens an. Fakt ist, Deutschland lebt über seine natürlichen Verhältnisse. Auf Kosten anderer. Viele sagen zum Beispiel, wenn wir unsere Kohlekraftwerke abschalten, bringt das gar nichts. Das sehe ich anders: Es bringt etwas beim CO²-Ausstoß, und wir setzen ein Zeichen. 

Die Kohlekraftwerke sind sowieso abgeschrieben, wirtschaftlich ist der Ausstieg längst besiegelt. Und der Druck wird steigen. Von alleine kommt die Einsicht nicht, das ist völlig klar. Natürlich fliegen die Leute, solange ein Flug von London nach Barcelona 19 Euro kostet. Da kann ich niemandem einen Vorwurf machen. Deswegen muss man den richtigen Preis an die Dinge heften, auch an ein bestimmtes Verhalten.

Aber damit verschärfen Sie den Konflikt arm – reich. Es wird heute schon nach Verstaatlichung gerufen, als wäre das eine Lösung. Wohin soll solch eine Entwicklung führen? Irgendwie kennen wir das doch aus der Geschichte.

Ich erkläre es mal so: Mein bester Freund wohnt im Mansfelder Land und arbeitet auch dort. Der ist nicht geflogen, wie ich durch die Arbeit oder auch zweimal in den Urlaub – das muss ich ehrlicherweise sagen. Sein ökologischer Fußabdruck ist also viel kleiner als meiner. Soll er da die gleiche CO²-Abgabe zahlen wie ich? Nein. Wer das schöne Leben nutzt, zahlt mehr. Ganz einfach. 

Es gibt keine absolute Gerechtigkeit, aber wer sich natürlicher verhält, ökologischer, der soll auch mehr zurückbekommen. Ich denke, das ließe sich auch gut umsetzen. Es soll eben nicht die allgemeine Abgabe her, sondern die Menschen sollen sehen, was ihr Verhalten die Umwelt kostet. Genauso kann man Fleisch essen. Keiner will das verbieten. Nur: Wir müssen uns bewusst machen, wie wir leben. 

Klar gibt es in solchen Prozessen auch Verbotshysterie, zum Beispiel, wenn jetzt das Verbot der Plastiktüte gefordert wird. Die Papiertüte ist doch nicht weniger schädlich. Da fällen wir jetzt die letzten Bäume für Papiertüten oder wie? Letztlich liefe es genau darauf hinaus. Früher sind die Leute auch mit ihrem Stoffbeutel oder einem Korb einkaufen gegangen. Wir müssen uns nur umgewöhnen und dafür muss man Anreize schaffen. Das ist allerdings die Wahrheit.

Das Gespräch führte Birgit Ulbricht.