Von Susanne Plecher
Jeder Meißner kennt die „Kachelhäuser“ in der Fabrik- und der Brauhausstraße. Versehen mit Schmuckfliesen und floralen Dekoren trotzen die Klinkerfassaden seit hundert Jahren Wind und Wetter. Die braune und weiße Glasur der Wandplatten hat die keramische Fabrik Bidtelia Anfang des letzten Jahrhunderts hergestellt. Im kommenden Jahr feiert das Meißner Traditionsunternehmen sein 150-jähriges Bestehen. Still und leise und ohne pompöse Festlichkeiten. 1861 vom Apotheker Julius Bidtel gegründet, befasst sich das Unternehmen auch heute noch mit der Herstellung und Entwicklung von Glasuren und Farben. 600 Töpfer kaufen hier ein.
Gleichzeitig ist die Firma kontinuierlich in verschiedene Forschungsthemen involviert. Momentan erforschen zwei der Mitarbeiter, wie sich säure- und temperaturbeständige Gefäße entwickeln lassen. „Keramik ist unglaublich vielseitig verwendbar. Das ist ein wunderbares Material“, sagt Geschäftsführer Ulrich Bierstedt, dem es sichtlich Spaß macht, die Produktpalette zu variieren.
Ein weiteres Standbein der Firma liegt ihm besonders am Herzen. Es ist die detailgetreue Nachbildung historischer Ofenkacheln und Jugendstilfliesen, die sein zehnköpfiges Team in Handarbeit fertigt. Zurückgegriffen wird dabei auf alte Musterbücher und Aufzeichnungen der Meißner Firma Teichert. Bierstedts Archiv umfasst 3000 bis 4000 historische Zeichnungen. Interessierte Kunden können sich aber auch in einer Sammlung historischer Ofenkacheln umschauen, deren Farb- und Formenpalette schier unübersehbar ist. Zusammengetragen hat der Maschinenbauingenieur die Kacheln selbst. Viele stammen aus Abbruchhäusern, andere hat er bei Ebay ersteigert. Bierstedt, der von sich behauptet, „spinös“ angelegt zu sein, möchte die Ausstellung um komplette historische Kachelöfen erweitern. Er will damit potentiellen Kunden Appetit auf eine Replik machen, die für 4000 Euro zu haben ist. Allein, die Käufer bleiben aus. Dazu kommen die Wirtschaftspraktiken der Händler, die die Produktion unrentabel machen. „Handel und Großhandel schlagen so viel auf, dass der Verkauf nicht funktioniert“, sagt Bierstedt. Dass er zu wenig in das überlebenswichtige Marketing steckt, daraus macht er keinen Hehl.
Die Qualität der Produkte indes spricht für sich. Die Fassaden der beiden Kachelhäuser sind original erhalten. „Die wurden nur abgekärchert“, so Bierstedt. Die Farben haben ihre Intensität und Strahlkraft nicht verloren. Auch nach hundert Jahren nicht.