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Kinder lesen über Oma Eierschecke

Ruppersdorf. In der Grundschule bleiben die Kinder regelmäßig länger, wenn vorgelesen wird.

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Von Elisa Schubert

Es ist eine gemütliche Runde – gar nicht so wie normale Schule. Die Kinder hocken sich im Kreis auf den weichen Teppichboden am Ende des Klassenzimmers und warten gespannt, welches Buch die Mutti heute aus der Tasche zaubert. Es hat geklingelt, und nun ist Vorlesestunde. „Wir kriegen eine Dreiviertelstunde lang vorgelesen. Die Muttis bringen die Bücher mit, und manchmal dürfen wir auch selbst etwas lesen“, erzählen Rita und Johanna.

Die beiden Mädchen gehen in die erste und zweite Klasse und sind schon kleine Bücherwürmer. „Ich mag am liebsten Lars, den Eisbär“, sagt Rita. Doch in dieser Vorlesestunde spielt kein Bär, sondern ein Wolf die Hauptrolle. Dazu hat sich Cordula Mauersberger, die heutige „Lesemutti“, etwas Besonderes einfallen lassen. Zu Beginn lässt sie die sechs Mädchen ein Tuch mit einem eingewickelten Gegenstand herumtragen. Die Kinder reißen sich um das schwere Geheimnis. Es entpuppt sich als ein großer Stein vom letzten Ostseeurlaub. Gut eingestimmt, hören die Kinder nun die Geschichte vom Wolf und der „Steinsuppe“.

Als Nächstes zeigt Cordula Mauersberger das Bilderbuch „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ in die Runde. Es ist noch aus DDR-Zeiten und der Mutti bestens bekannt. „Ich habe das Buch bestimmt 500-mal gelesen. Meine vier Kinder kennen es schon auswendig“, erzählt sie den Mädchen. Eine von ihnen ist ihre Tochter Aline. Auch sie hört in der folgenden halben Stunde einmal mehr die Geschichte vom Löschmeister Wasserhose, der nicht zu seinem wohlverdienten Kaffee kommt, weil Oma Eierscheckes Wohnung abzubrennen und der kleine Emil Zahnlücke einzubrechen droht. Während des Lesens entsteht so manche Diskussion. Die Kinder erzählen sich ihre Erfahrungen, lernen, was ein Hydrant ist und kommen auf die Idee, einmal einen Wandertag in eine Feuerwache zu machen.

„Die Kinder lesen viel zu wenig, und viele bekommen nie etwas vorgelesen“, beklagt Cordula Mauersberger. Bei ihr zu Hause würden jeden Tag die Bücher gewälzt, sagt sie. „Das ist auch die Grundidee unserer Lesestunde. Wir wollen die Freude an Büchern wecken.“ Gemeinsam mit sieben anderen Frauen liest sie jeden zweiten Montag und Donnerstag nach Schulschluss vor. „Das Projekt ist noch ganz neu. Nach den Winterferien ging es los. Fischers Bücherstube in Herrnhut sponsert uns Bücher“, freut sich Cordula Mauersberger. Das Interesse der Mädchen und Jungen ist so groß, dass sie in Gruppen geteilt werden müssen. „Wollen wir jetzt aufhören und beim nächsten Mal weiterlesen?“ „Nein!“ rufen die Kinder. Doch irgendwann ist die Dreiviertelstunde vorbei. In zwei Wochen ist ja wieder Lesezeit.