Hat dieser Mann – 39 Jahre alt, füllig und groß, in Jogginghose, mit Kapuzenpullover und Sonnenbrille im Gesicht sowie Brilli im Ohr vor dem Gericht erschienen – vor Jahren in Weißwasser über Jahre hinweg ein Mädchen sexuell missbraucht, als es gerade einmal zwischen sieben und zwölf Jahren alt war?
Oder ist dieser Mann das Opfer einer Falschbeschuldigung, die die inzwischen 19-Jährige junge Frau, in einer bestimmten Situation unter Druck stehend, erhoben hat. Das muss das Landgericht Görlitz unter Vorsitz von Richter Theo Dahm entscheiden. Vier Verhandlungstag sind angesetzt. Am heutigen Dienstag war der erste, an dem im Wesentlichen nur die Anklage verlesen wurde.
Die hat es in sich und würde bei einer entsprechenden Verurteilung eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren für den Angeklagten bedeuten, wobei wegen der Vielzahl der Taten eher nicht davon auszugehen wäre, dass der 39-Jährige mit der Mindeststrafe, die gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, davonkommen würde.
Vorwürfe in insgesamt elf Fällen
Der geborene Leipziger lebte von 2006 bis 2010 in einer Beziehung in Weißwasser, danach weitere knapp zwei Jahre in einer extra Wohnung in der Stadt. Inzwischen lebt der Mann in Freital und arbeitet als Lagerist. Laut Anklage sollen die Missbrauchstaten an der damals siebenjährigen Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin 2007 begonnen haben. Staatsanwältin Peggy Brosin führt insgesamt elf Fälle in der gemeinsamen Wohnung auf.
Beginnend vom Streicheln am Gesäß des Mädchens, ihren Kopf unter sein Shirt Schieben und an den Brustwarzen küssen lassen, bis hin zum Masturbieren mithilfe ihrer Hand, Reiben des nackten Gliedes an ihrem nackten Körper bis zum Samenerguss und Manipulieren ihres Geschlechtsteils mit seinen Fingern.
Strafrechtlich noch gravierender sind die Vorwürfe, die sich auf die Zeit beziehen, in der der Angeklagte in einer eigenen Wohnung lebte und von dem Mädchen besucht wurde. Hier sind vier Fälle angeklagt – zwei davon mit Samenerguss in den Mund des Mädchens, drei davon mit mindestens dem Versuch, in das Mädchen mit Fingern oder auch dem Glied einzudringen. Laut Strafgesetzbuch würden diese Taten bei einer Verurteilung als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern bestraft, jeweils mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsentzug bestraft.
Angeklagter schweigt bislang
Der Angeklagte hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, auch gestern vor Gericht geschwiegen. Das Gericht wird nun an den folgenden Verhandlungstagen die mutmaßlich missbrauchte junge Frau, die auch als Nebenklägerin beteiligt ist, als Zeugin anhören, dazu weitere Zeugen und auch die psychologische Gutachterin. Besonders das Zustandekommen der Anklage lässt auf den ersten Blick auch Zweifel aufkommen.
Nach Informationen von Sächsische.de hatte die junge Frau 2018 mit übermäßigem Alkoholgenuss einen Rettungseinsatz ausgelöst und ihrer nach einem Grund dafür suchenden Mutter nicht auf die Frage geantwortet, ob sie missbraucht worden sei. Die Mutter habe daraufhin die Strafanzeige erstellt, die Tochter dann unter großen Hemmungen alles erzählt.
Andererseits deutete sich am ersten Verhandlungstag eine Verständigung an, die dem Opfer eine Aussage vor Gericht ersparen (also mindestens ein Teilgeständnis enthalten würde?) und zu einem schnellen Ende des Prozesses führen könnte. Die Verhandlung wird am Mittwoch, 9.30 Uhr, fortgesetzt.
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