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Kitaplätze reichen nicht

In zwei Monaten können Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kleinkind einklagen. Kandidaten gibt es schon heute.

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© Marko Förster

Von Heike Wendt

Erst waren feuchte Räume in alten Gebäuden und zu wenig Platz für alle Kinder die Probleme. Jetzt steht die Gemeinde Struppen vor der Eröffnung eines Kinderhaus-Neubaus. 174 Kinder sollen ab Sommer hier betreut werden. Trotzdem ist die Situation dramatisch. Etwa 15 Familien mit kleinen Kindern haben von der Gemeinde eine Ablehnung auf ihren Antrag für einen Krippenplatz bekommen.

Sindy Göldner und Sven Lennert mit dem fünfjährigen Theo und Baby Nils ist eine von ihnen. Seinen Unmut zeigt der Familienvater vor den Gemeinderäten öffentlich. „Wir haben fest damit gerechnet, auch für unser zweites Kind einen Platz zu bekommen“, sagt er. Was ihm besonders zu schaffen macht, sind neue Kriterien für die Platzvergabe. Bisher hatte die Gemeinde die Berufstätigkeit der Eltern und die Geschwisterkinder mit herangezogen. Seit wenigen Wochen geht es einzig um das Datum, an dem der Antrag bei der Gemeinde einging. Sven Lennert findet das ungerecht. „Seit zehn Jahren bin ich in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, und bei der Krippenplatzvergabe spielt es keine Rolle, ob sich einer in der Gemeinde engagiert“, empört sich der frühere Jugendclubchef. Seinen Feuerwehrausweis und die Schlüssel hat er gleich mitgebracht. Wenn Struppen keinen Wert aufs Ehrenamt lege, dann trete er sofort aus. Bürgermeister Rainer Schuhmann (CDU) versucht, die Emotionen in sachliche Bahnen zu lenken. Jedes Verfahren, so sagt er, sei irgendwo ungerecht. Die Gemeinde habe sich für die Änderung der Kriterien auf Anraten des Landkreises entschieden. Als Grund wird das ab August geltende Recht auf einen Krippenplatz genannt, das unabhängig von Berufstätigkeit oder Geschwisterkindern einklagbar ist. Deshalb seien diese Vergabekriterien nicht mehr anzuwenden.

Auch in Dohma machen fehlende Plätze der Gemeinde zu schaffen. Dort entstehen mit einem Kita-Neubau zehn neue Plätze. Allerdings gibt es schon jetzt eine Warteliste. Familien, die keinen Platz bekommen, empfiehlt Dohmas Bürgermeister, sich an andere Kommunen zu wenden. Ob sie dort erfolgreich sind, ist fraglich. Wegen der neuen Rechtssituation ab August ist jede Gemeinde zunächst daran interessiert, ihre eigenen Kinder unterzubringen. Pirna zum Beispiel winkt schon mal ab. Man sei zuversichtlich, ab August für Pirnaer Familien alle Kita-Wünsche erfüllen zu können, sagt Stadtsprecher Thomas Gockel. Steppkes aus anderen Gemeinden aufzunehmen, dafür stehen die Chancen aber schlecht. Städtische Regelungen erlauben das ohnehin nur „in besonders begründeten Einzelfällen“.

Eltern hilft das also kaum weiter. Wenn die Gemeinde den Wunsch nach einem Kitaplatz ablehnt und die Nachfrage im Nachbarort nicht hilft, dann muss der Landkreis aktiv werden. Der Kreis vergibt zwar selbst gar keine Plätze, hat aber die Übersicht, in welchen Orten wie viele Plätze belegt werden können – und er muss Regressforderungen gegenüber Kommunen durchsetzen, wenn diese nicht ausreichend Plätze bereitstellen. Betroffene sollten sich bei einer Ablehnung schriftlich ans Landratsamt, Abteilung Kinder-, Jugend- und Familienhilfe wenden, rät Jugendamtsleiter Dietmar Schneider.

Wie es in Struppen weitergehen soll, ist derzeit noch offen. Die beiden alten Kitagebäude werden mit der Eröffnung des Neubaus definitiv geschlossen. „Wir überlegen, ob wir einen anderen geeigneten Raum freilenken können“, sagt Bürgermeister Schuhmann. Genaueres kann er noch nicht sagen. Das hänge von weiteren Gesprächen mit dem Landkreis ab, der seine Zustimmung zu Struppens Lösung geben muss. Zusätzliche Kosten kommen auf die Gemeinde auf jeden Fall zu. Auch das Abschieben der Kinder in eine Nachbarkommune kostet Geld. Jede Gemeinde stellt die Betreuung von „Fremdkindern“ mit rund 400 Euro pro Kind und Monat in Rechnung. Bei den fehlenden Plätzen ist das für Struppen etwa genauso teuer wie zusätzliche eigene Räume.

In der Landkreisverwaltung ist Struppen bisher der einzige Fall, bei dem so intensiv nach einer Lösung gesucht wird. „Wir werden aber in den nächsten Wochen mit allen Gemeinden ins Gespräch kommen“, versichert Jugendamtsleiter Schneider. Womöglich gebe es ähnliche Probleme in weiteren Orten. (mit SZ/ce/hui)