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Kiwis wachsen an der Neiße

Görlitz. Drei junge Leute starteten vor zwei Jahren in die Selbstständigkeit. Jetzt sind sie schon Arbeitgeber.

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Von Peter Chemnitz

Weit steht die Tür des sanierten Gründerzeithauses offen. Neugierigen Passanten bietet sich ein Blick auf zwei Reihen Computer, hinter denen junge Leute sitzen und auf die Bildschirme blicken. Dazu dröhnt Musik, die durchaus gewöhnungsbedürftig ist. Im Parterre der Hohen Straße 12 hat aber kein Internetcafé aufgemacht, sondern haben auf rund 85 Quadratmetern drei Jungunternehmer ihre Firma eingerichtet: die Kiwi-Vision GbR. „Das steht für kreative, innovative und wirtschaftliche Ideen“, sagt Markus Thiele. Und davon haben der 21-jährige IT-Systemelektroniker, sein sieben Jahre älterer Bruder Oliver und der 28-jährige Mediengestalter Alexander Heise ausreichend. Im September 2004 beschlossen sie, ihre Interessen in den Bereichen Webdesign, Werbung, Marketing und Programmierung zu bündeln und gemeinsam eine Firma zu gründen. „Es hing auch mit Görlitz zusammen“, sagt Heise: „Hier haben wir unsere Freunde, wissen, wo etwas los ist, und fühlen uns wohl.“ Mit einem Tapeziertisch und drei betagten, privaten Rechnern, einem Drucker und Internetzugängen, haben sich die drei in die Marktwirtschaft gestürzt und auf die feste Zusage eines entfernten Bekannten vertraut, ihnen Aufträge zu geben. „Das hat sich dann zwar etwas anders entwickelt, wir haben aber trotzdem Glück gehabt“, sagt Oliver Thiele. Auf Kredite verzichteten die drei. Die Anschubfinanzierung erfolgte durch das Arbeitsamt. Moralisch wurden sie von den Eltern unterstützt. 15 Monate lang erlebten die Jungunternehmer eine geschäftliche Berg- und Talfahrt, bei der sie viel Lehrgeld bezahlt haben. Am Anfang stecke man Niederlagen schwerer weg, sagt Alexander Heise. Dass die Zahlungsmoral einiger Kunden so schlecht sei, hätte er nicht gedacht.

Positiv wirkte sich aus, dass eines der ersten Projekte die Entwicklung eines Handy-Online-Shops war. „Dabei haben wir ein neues Modul entwickelt, was sich großer Nachfrage erfreut“, sagt Heise. Die Folge: Kiwi-Vision musste für sich nicht die Werbetrommeln rühren, die Interessenten meldeten sich. Inzwischen stehen auch Siemens, Sat 1 und die Deutsche Post AG auf der Referenzliste. Für die Postfilialen wurde zur Fußball-Weltmeisterschaft ein Tippspiel erstellt, welches zur Motivation der Post-Mitarbeiter genutzt wurde. Für Sat1 arbeiteten die Görlitzer bei einer Online-Marketing-Aktion zu „HappyDigits“ mit. Eine Initiative von Siemens Görlitz für mehr Arbeitsschutz unterstützten sie mit grafischen Produkten. Unter anderem wurde eine selbst entworfene Digitalanzeige aus Edelstahl gebaut. Sie war quasi das Meisterstück für Heise: „Zum ersten Mal war ich selbst Auftraggeber, musste Preise einholen und mit anderen Firmen verhandeln – das war sehr spannend.“

Praktikanten fest eingestellt

Seit dem 1. September steht das zwei Meter hohe Stahlsegel zwischen den Produktionshallen von Siemens. 70 Prozent ihres Umsatzes macht Kiwi-Vision allerdings außerhalb von Görlitz. Zurzeit liegt der Schwerpunkt im Raum Berlin/Brandenburg. Kurz vor dem zweiten Firmengeburtstag haben die drei „Kiwis“ sich selbst und Görlitz ein kleines Geschenk gemacht: Sie haben zwei ehemalige Praktikanten fest eingestellt. Die beiden ergänzen jetzt das Team als Programmierer und im Online-Marketing.

Außerdem ist Kiwi-Vision immer offen, wenn Berufsschüler hier ihr Praktikum ableisten wollen. Zurzeit gewinnen drei junge Männer hier Einblicke in betriebliche Abläufe. Die haben sich seit 2004 schon etwas verändert. Wurde in den ersten Monaten bis nachts zwei Uhr gearbeitet, ist jetzt zwischen 20 und 23 Uhr Feierabend.