Wie aus stinkender Jauche sauberes Wasser wird

Es ist viertel nach Sieben, als ich mich im Klärwerk Niesky melde. Die beiden Stadtwerke-Mitarbeiter Bernd Schurwanz und Tom Hennig erwarten mich bereits, samt neonfarbener Arbeitsjacke für mich. Mit festem Schuhwerk, Arbeitshose und Handschuhen bin ich bereits bestens ausgerüstet für einen Tag im Nieskyer Klärwerk.
Zwei Monitore geben Auskunft
Doch zunächst führt der Weg in ein Büro, in dem bereits zwei Monitore leuchten. "Von hier aus kontrollieren wir die Kläranlage. Das System zeigt uns an, wenn es irgendwo klemmt, also eine Havarie gibt", erklärt Bernd Schurwanz. An diesem Morgen läuft alles glatt, wie fast immer. Deshalb heißt es jetzt hinaus, Proben nehmen. Also hinein in die gelbe Arbeitsjacke. Sie ist an diesem kalten und windigen Morgen die bessere Wahl, als mein alter Anorak von Zuhause. Tom Hennig schnappt sich einen Flaschenhalter. Los geht es.
Tom Hennig arbeitet seit zehn Jahren im Nieskyer Klärwerk. Hier hat er den Beruf Fachkraft für Abwassertechnik gelernt. "Die Arbeit macht mir Spaß, denn sie ist vielseitig", erzählt der 27-Jährige aus Klitten. Er und seine vier Kollegen sind nicht nur für das Klärwerk zuständig, sondern auch für das Kanalnetz. So ist jeden Tag ein mobiler Zwei-Mann-Trupp in Niesky und seinen Ortsteilen unterwegs.
Die Sorgenkinder sind die Pumpwerke. In denen bleibt oft das stecken, was nicht flüssig ist. Sven Pollok zeigt mir einen handtuchgroßen Lappen, den er am Tag zuvor aus einem Pumpwerk in der Niesyker Fichtestraße gezogen hat. Aber nicht alles bleibt in so einer Pumpe hängen. Bernd Schurwanz erzählt mir, dass er im Klärwerk vor einiger Zeit mal einen Schuh aus einem der Becken gefischt hat. "Wie der es bis hierher geschafft hat, ist mir heute noch ein Rätsel", sagt der Meister und Chef der Klärwerkbrigade. Tom Hennig fand auch schon mal einen goldenen Eherring im Bodensatz - jetzt hängt er an seinem Schlüsselbund.
Was nicht in die Toilette gehört
Solche kuriosen Funde haben aber Seltensheitswert. Was den Männern zu schaffen macht, sind die Dinge, die die Menschen achtlos in der Toilette wegspülen. "Sämtliche Hygieneartikel, Müll und Essensreste gehören nicht ins Abwasser", betont Bernd Schurwanz. Auch die beliebten Feuchtigkeitstücher sind im Abfallbehälter besser aufgehoben als in der Toilette.
Für mich heißt es jetzt, die erste Probe nehmen. Dazu öffne ich, wie vor einem Schrank stehend, eine kleine Tür und sehe eine Batterie an Plasteflaschen vor mir. "Die Volle nehmen wir mit", sagt mir Tom. Also greife ich sie mir und stelle sie in den Flaschenhalter. Das Wasser ist trübe und riecht muffig. "Die erste Probe nehmen wir immer von dem in die Kläranlage einlaufenden Abwasser", klärt mich Tom auf.
Am Belebungsbecken steigt einem der Fäkalgeruch unerbittlich in die Nase. "Hier wird richtig gearbeitet!" Tom meint damit die Millionen Bakterien, die das Abwasser zersetzen. Ich sehe nur braune Brühe vor mir. Wichtig ist, so Tom weiter, dass die Becken kontinuierlich mit Sauerstoff belüftet werden, sonst sterben die Bakterien ab und das biologische System funktioniert nicht mehr. Zu tun haben die Bakterien sehr viel. Rund 2.200 Kubikmeter Abwasser kommen aus 70 Kilometer Kanalnetz im Normalfall jeden Tag an. Geht über Niesky ein Unwetter mit Starkregen nieder, dann sind es auch mal 10.000 Kubikmeter, die die Anlage ausreizen.
Am Ende bleibt klares Wasser
Tom drückt mir eine lange Stange in die Hand, an deren einem Ende eine Plasteflasche befestigt ist. Mit dieser soll ich zwei Tauchgänge durchführen und den Inhalt in eine zweite Probeflasche kippen. Das gelingt mir, ohne zu kleckern. Wo wir jetzt stehen, sind nicht nur die drei Belebungsbecken, die die biologische Reinigung des Abwassers vollziehen, sondern noch zwei weitere. In einem setzt sich der Klärschlamm ab und wird gesammelt; in dem anderen das geklärte Wasser. Das ist sauberer als so mancher Badesee um Niesky und wird in den Neugraben eingeleitet. Schließlich nehmen wir davon auch noch eine Probe mit.
Mit drei Flaschen unterschiedlich trüben Wassers geht es zurück ins Labor. Für Tom beginnt jetzt die eigentliche Arbeit: Die drei Wasserproben auf ihre Bestandteile zu prüfen. Dabei werden der Phosphor-, Ammonium und Stickstoffgehalt mit chemischen Prozessen ermittelt und im Betriebstagebuch akribisch verewigt. Normalerweise dauert das drei Stunden. Aber heute ist "Großes Labor" angesagt, wo noch mehr zu untersuchen ist. Das kann sich vier bis fünf Stunden hinziehen.
Eine Jauchefahrt durch Niesky
Das will ich mir zeitlich nicht antun und setze mich zu Sven Pollok in das orangefarbene Entsorgungsfahrzeug. Auf geht es zu einer "Jauchefahrt" in die Stadt Niesky. Der 47-Jährige ist erst seit September im Klärwerk beschäftigt. Als gelernter Elektroniker brachte er die fachlichen Voraussetzungen mit, um bei den Stadtwerken diesen Job zu bekommen. Sein Meister sagt, dass die Arbeit im Klärwerk heute viel mit Elektrik und Elektronik durch die Steuerungstechnik zu tun hat. Bernd Schurwanz ist bereits seit 1996 dabei. Er kennt noch das alte Klärwerk, das 1991 gebaut wurde. 2003 erfolgte die Einweihung des jetzigen Klärwerkes mit einer Kapazität von 30.000 Einwohnergleichwerten.
Mit Sven Pollok bin ich an dem alten Ziegelbau angekommen. Dort, wo früher in einem kleinen Anbau das Plumpsklo mal war, befindet sich nur noch eine Eisenklappe und darunter die Jauchegrube. Sven drückt mir den "Rüssel" in die Hände. Ich stecke ihn in das rechteckige Loch und der Schlauch zutscht die Grube leer. Auf 1,8 Kubikmeter ist der Zeiger auf der mechanischen Anzeige am Fahrzeugbehälter gerückt. Schau an!, denke ich. Die Elektronik hat doch noch nicht alle Bereiche der Abwasserentsorgung erreicht. Denn wie technisiert alles abläuft, und der Mensch die Prozesse nur noch überwacht, das hat mich an meinem "Schnuppertag" schon überrascht.
In der nächsten Folge am kommenden Mittwoch wäscht SZ-Redakteurin Romy Kühr Kraftfahrzeuge.
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