Von Carola Lauterbach
Wieder einmal ist Sachsen Vorreiter. Nur im Freistaat gibt es das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) Pädagogik und das erweist sich bereits nach einem Jahr als Erfolgsgeschichte. 41 junge Leute – überwiegend Frauen – haben es mehrheitlich an sächsischen Grundschulen, aber auch an sechs Ober-, zwei Förderschulen, zwei Gymnasien und einer Schule in freier Trägerschaft absolviert. Und 27 von ihnen hat es in ihrer Berufswahl bestärkt: Sie wollen nun ein Lehramtsstudium aufnehmen.
Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU), die dieses Ergebnis in einer der beteiligten Grundschulen in Dresden verkündet, ist sichtlich stolz über diese durchaus besondere Art der Nachwuchsgewinnung. Sie hält die 500 000 Euro, die Sachsen dafür hingeblättert hat, daher für sehr gut angelegtes Geld. Mehr noch. In den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2015/16 hat sich die Ministerin dafür starkgemacht, die Zahl der Plätze und das zur Verfügung gestellte Geld pro Jahr zu verdoppeln. Die Grünen in Sachsen warnen die Ministerin sogleich davor, den Eltern damit Wahlsand in die Augen zu streuen. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, mehr Freiwillige – so gut dies sei – wären ein wirksames Mittel gegen den Lehrermangel, heißt es.
Es überrascht nicht, dass Kurth mit dem FSJ den Nerv der Schulen trifft. Deren Interesse, einen „FSJ-ler“ abzubekommen, ist ausgesprochen groß. Laut Deutscher Kinder- und Jugendstiftung als Träger des Projektes hatten sich im vergangenen Jahr 400 Schulen um die 41 jungen Leute beworben. Fürs neue Jahr sind es 600 Schulen, die einen der 42 Freiwilligen wollen.
Schule als Gesamtpaket
Die Frage, ob die Schulen damit auf eine Entlastung der Kollegien hoffen, bejaht Grit Hübschmann, die Leiterin der 4. Grundschule Dresden, unumwunden. Die jungen Leute würden dort eingesetzt, wo keine tiefgreifenden pädagogischen Fähigkeiten vorausgesetzt werden. So habe ihre FSJ-lerin Sophie Uhlig neben Homepage-Gestaltung, Leseförderung oder Klassenfahrtorganisation auch die Begleitung der Schüler zum Schwimmunterricht übernommen, „was sehr hilfreich für unsere Kollegen war.“ Die Schulleiterin spricht aber von einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Sie freue sich über die Möglichkeit, über das FSJ tatsächlich „geeigneten und motivierten Lehrernachwuchs“ zu bekommen. Den jungen Leuten indes, denen auf diese Weise „Schule als Gesamtpaket“ präsentiert werde, böte sich eine bewusstere Entscheidungsfindung.
Das bestätigt Sophie, der das Jahr Spaß gemacht hat und die sich nun an allen sächsischen und vier weiteren Unis für ein Studium im Grundschullehramt beworben hat. Die Journalistenfrage an die Kultusministerin, ob sie der jungen Frau schon eine Einstellungszusage machen könne, beantwortet diese vorsichtig. Wer sich heute für ein Lehramtsstudium für Grund-, Förder- oder Oberschule entscheide, die richtige Fächerkombination studiere und bereit sei, später auch in ländliche Regionen zu gehen, habe „beste Chancen“ in ein paar Jahren in Sachsen unterrichten zu können.
Nicht amüsieren wird diese Aussage Lehramtsstudierende der Unis in Leipzig, Dresden und Chemnitz sowie Referendare. Sie haben sich in einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, weil sie Missstände im Studium, im Vorbereitungsdienst und in der Lehrereinstellungspolitik sehen. Darauf hätten sie bereits seit Jahresbeginn hingewiesen – nur bewege sich kaum etwas. Sie würden vertröstet, an Verantwortliche untergeordneter Ebenen verwiesen, die sich den Schwarzen Peter gegenseitig zuschöben. Heute will das Bündnis mit einer Klebezettel-Aktion ein öffentliches Zeichen setzen. Denn: Nach eigenen Erhebungen will ein Drittel angehender Lehrer Sachsen nach der Ausbildung verlassen.
Sie nehme das sehr ernst, sagt Ministerin Kurth. Eingestellt werden könne aber nur nach Bedarf. Zurzeit gebe es deutlich mehr Bewerber für das Lehramt an Gymnasien und dies mit Fächerkombinationen, in denen es keinen Mangel gebe. Und sie wiederholt die Prämissen: Schulart, Fächerkombination, bereit sein, auch außerhalb der Ballungszentren zu unterrichten.