Von Miriam Schönbach
Von weitem locken schon farbenfroh die bekannten Moskauer Zwiebeltürme am Schaufenster. Durch die offene Tür des Restaurants „Kalinka“ klingt russische Musik. An der Theke hängt ein Glöckchen mit dem Zettel „Wenn's Kolokoltschik hier klingelt, werden die Gäste gleich bedient.“ Prompt kommt Olia Mosmann, wenn ein Gast läutet. Herzlich und mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßt die Chefin jeden.
Entscheidung lange bedacht
„Ich wollte von Anfang an ein russisches Restaurant in Bautzen eröffnen“, sagt Olia Mosmann. Die 50-Jährige kam 1991 aus dem sibirischen Krasnojarsk in die Oberlausitz. Ihre Eltern, die schon vor vielen Jahren in die alte Heimat zogen, hatten sie immer wieder gedrängt, ihnen nach Deutschland zu folgen. „Ich habe ein schönes Leben aufgeben und mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt sie. Erfolgreich verkaufte sie in Russland mit ihrer Firma Mehl und Zucker, beschäftigte mehrere Angestellte und richtete sich ihre Wohnung schön ein. Als der Entschluss nach neun Jahren reiflicher Überlegung fällt, übergibt sie ihrer Schwester das kleine Unternehmen und löst das restliche Hab und Gut auf. „Ich habe mein ganzes Leben in sechs Taschen verpackt und bin mit meinen beiden Kindern nach Deutschland gereist“, erinnert sich Olia Mosmann. Hier ziehen sie in ein Zimmer im Aussiedlerheim. In der ersten Zeit grübelt sie, ob sie den richtigen Schritt gegangen ist. Doch an Rückkehr ist nicht zu denken. „Ich liebe das Risiko. In meinem Blut kocht die Selbstständigkeit“, sagt die Jungunternehmerin.
Den Start ihres Restaurants geht sie wohl überlegt an. Sie hört sich in der hiesigen Gastronomie um und fährt zum Testessen nach Dresden. „Da habe ich gleich gesehen, da liegen nur falsche Pelmeni auf dem Teller für viel Geld“, erzählt Olia Mosmann. Die Hackfleischfüllung mit Semmelbröseln zu strecken, das käme bei ihr ebenso wenig in Frage wie „Pelmeni nach Fauler-Hausfrauen-Art“, also besonders große Teigtaschen, die weniger Arbeit machen. Stattdessen serviert sie den Gästen nur richtige, kleine Nudeltaschen mit einer Füllung aus purem Hackfleisch, Zwiebel, Salz und Pfeffer. Mit 1 000 Stück dieser russischen Spezialität und zehn Liter Borschtsch öffnet Olia Mosmann am 13. Juni 2005 ihr Restaurant. „Ich habe geschwitzt und gezittert, ob überhaupt Gäste kommen“, erinnert sich die Bautzenerin. Noch heute ist sie überwältigt, dass sie gleich am ersten Tag 750 Teigtaschen verkaufen konnte. Mittlerweile macht die gelernte Friseuse alle drei Tage 500 Pelmeni. Und die schmecken den Gästen, die fast alle Deutsche sind, offenbar gut. Frauen schaffen etwa 15 Stück, hat Olia Mosmann festgestellt. Männer verdrücken 30 bis 40.
Vielleicht kommen sie aber auch wegen der Herzlichkeit und Offenheit bei Olia Mosmann vorbei. „Ich liebe mein Deutschland, ich liebe mein Russland. Aber die Sehnsucht nach meiner alten Heimat ist vorüber“, sagt die Geschäftsfrau, die besonders Hüte liebt. Für ihr Familienunternehmen „Kalinka“ – Tochter und Sohn arbeiten auch mit – musste sie jetzt sogar noch eine Köchin einstellen. Denn Bestellungen gibt es schon bis in den Dezember.
Während das Publikum bei Olia Mosmann überwiegend deutsch spricht, kaufen in den russischen Läden im Landkreis Spätaussiedler ein. So werden zum Beispiel in Bischofswerda und in Bautzen-Gesundbrunnen Leckereien aus Russland und der Ukraine angeboten.
Süßigkeiten und Krim-Sekt
Im „Imperia“ an der Bautzener Bahnhofstraße wartet Verkäuferin Ludmilla Schulmeister strahlend auf Kundschaft. „Ich liebe eben Leute, egal welcher Nationalität, wichtig ist ein gutes Gesicht“, sagt die ehemalige Bibliothekarin aus Kasachstan. „Der Laden läuft“, sagt Tanja Susal. Sie führt im „Imperia“ die Geschäfte. Inhaberin ist Svetlana Federova. Gemeinsam haben die Frauen noch vieles vor. Im Winter wollen sie zum Beispiel heißen Tee aus dem Samowar – dem russischen Wasserkocher – anbieten.
Doch nicht nur Aussiedler suchen im „Imperia“ den Geruch und Geschmack der Heimat. „Zu uns kommen auch viele Bautzener, die in der Sowjetunion gearbeitet oder studiert haben“, sagt Tanja Susal. Süße Kondensmilch ist bei den Deutschen genauso gefragt wie gefrorene Pelmeni, Krim-Sekt und die berühmten russischen Süßigkeiten.
Um den Laden noch attraktiver zu machen, will die 27-Jährige demnächst Kosmetik und Teekräuter verkaufen. Und auch wer nichts braucht, kann einfach zum Plaudern vorbeikommen. Dann legt Ludmilla Schulmeister ihren Liebesroman gern zur Seite und erzählt über die russische Lebensart.