Von Reiner Hanke
Erst vor wenigen Tagen hatte sich der Dresdner Baubürgermeister Marx mit den Kleingärtnern angelegt und einen Sturm der Entrüstung erlebt. Jetzt macht die Großröhrsdorfer Stadtspitze ähnliche Erfahrungen. In beiden Fällen geht es um Schrebergärten, die sich als Bauland eignen könnten. In Dresden für einen Wissenschaftsstandort, in Großröhrsdorf als Bauland für Einfamilienhäuser. Beide Städte ruderten inzwischen zurück.
Anfragen von jungen Familien nach Häuslebauplätzen gibt es in Großröhrsdorf immer wieder. Das trifft sich mit dem Interesse, Neubürger ins Rödertal zu locken, um dem Bevölkerungsschwund ein bisschen entgegenzusteuern. Seit einem Jahr läuft die Suche. Sieben potenzielle Standorte sind jetzt in Klein- und Großröhrsdorf im Gespräch mit Platz für bis zu 35 Einfamilienhäusern. Entsprechende Änderungen sollten jetzt in den Flächennutzungsplan der Stadt eingearbeitet und vom Rat beschlossen werden. Schließlich kann nicht einfach überall gebaut werden.
Ins Visier der Planer gerieten dabei auch Teilflächen von zwei Kleingartensparten. Die sind jetzt umstritten. Es sind Flächen an der Grund- und an der Brauereistraße. Das brachte die Kleingärtner auf die Barrikaden. Nur durch Zufall habe ein Vorstandsmitglied den entsprechenden Änderungs-Entwurf für den Flächennutzungsplan (Großröhrsdorf/Bretnig-Hauswalde) begutachtet und bemerkt, dass Kleingärtnerland mit verplant wurde. Das schreibt Ursula Möbius, die Vorsitzende des Kleingartenvereins Rödertal. Nun pochen die Gartenfreunde auf ihr Recht. Die Gärten seien bisher stets als Dauerkleingartenanlagen im Flächennutzungsplan für die Stadt verzeichnet gewesen. Daran werde nun gerüttelt. Es gehe um Menschen, denen letztlich ein Stück Lebensqualität und Lebensgeschichte genommen werde, schreibt Kleingärtner Matthias Zimmermann empört. Dabei ärgert die Kleingärtner besonders, dass sie in diese Gedankenspiele nicht beizeiten direkt einbezogen wurden. Auch später habe die Stadt die Karten nicht komplett auf den Tisch gelegt. Dafür habe es Vorwürfe gegeben. Leerstand werde mit Scheinbebauung vertuscht. Das stimme nicht, wehrt sich der Verein. Leer stehende Gärten sollen zumindest soweit gepflegt werden, dass sie für mögliche Nachfolger attraktiv bleiben, war am Rande des Stadtrates zu erfahren. Wolfgang Preller, der Vorsitzende des Territorialverbandes der Kleingärtner Kamenz, sprang den Großröhrsdorfern jetzt ebenfalls zur Seite. Er moniert seinerseits, dass die Kleingärtner nicht informiert wurden.
Um welche Flächen geht es? An der Grundstraße sind es drei mögliche Einfamilienhaus-Grundstücke von jeweils rund 800 Quadratmeter Fläche, 15 Prozent der Schrebergartenanlage. An der Brauereistraße hat die Stadt insgesamt 3 200 Quadratmeter für vier Häuser ins Auge gefasst, größtenteils ungenutzt, heißt es. So ähnlich sei die Lage an der Grundstraße. Der Rückgang am Bedarf für Schrebergärten sei sichtbar, so Bauamtsleiterin Regina Spangenberg. Das sehen die Stadträte durchaus genauso. Sie unterstützen es auch, wenn Bauplätze für junge Familien geschaffen werden. Schließlich hatten sie selbst den Auftrag dazu erteilt. Doch für den schlechten Umgang mit den Kleingärtnern, die quasi übergangen worden seien, hagelte es jetzt von ihrer Seite heftige Kritik quer durch die Fraktionen: „Es gehöre sich, mit den Leuten zu sprechen“; „Es ist das falsche Signal, weil vielleicht auch Zuzügler einen Garten wollen oder weil die Schrebergärtner nicht mehr in ihre unsichere Scholle investieren wollen“, so einige Meinungen.
Unsicherheit bei Gartenfreunden
Da konnte der Einwand von Bürgermeisterin Kerstin Ternes nicht mehr helfen, dass es sich um eine langfristige Planung handele. Dass es ein allererster Schritt in der sogenannten Bauleitplanung sei. Dass es bei der Auslegung des Plans, Möglichkeiten gebe, über die Bedenken zu sprechen. Der Beschluss drohte ganz zu kippen. Der Rathauschefin blieb angesichts der geballten Kritik nur noch, die Notbremse zu ziehen und einen Teil der Bau-Pläne zu retten. Dazu gehören unter anderem auch Bauplätze für zehn Häuser in Kleinröhrsdorf an der Großröhrsdorfer Straße in zweiter Reihe. Dort, wo auch einmal der Neubau des Kindergartens im Gespräch war und auf dem Gelände der früheren Gärtnerei Frenzel an der Alten Straße in Großröhrsdorf. Unter Druck stand die Stadt aus mehreren Gründen. So gibt es offenbar schon potenzielle Häuslebauer für einige der neuen Flächen. Die warten auf den Startschuss. Außerdem ist der Flächennutzungsplan ein Gemeinschaftswerk für Bretnig-Hauswalde und Großröhrsdorf. Und die Nachbargemeinde hat ebenfalls Änderungswünsche. Die sollen in einem Aufwasch erledigt werden. Eine Änderung dränge. Die ist für Erweiterungspläne der Firma Stahlbau Gäbler notwendig. Das Unternehmen will loslegen. So stimmte der Rat dem Kompromiss zu. Die Kleingärtner können vorerst aufatmen. Doch die Baupläne sind nur verschoben. Die Stadt kündigte an, gemeinsam mit den Kleingärtnern nach Lösungswegen zu suchen: „Wir wollen nicht an den Kleingärtnern vorbei planen, sondern im Einvernehmen“, sicherte Kerstin Ternes nach der turbulenten Sitzung zu. Auch im Stadtrat hofft man auf Gesprächsbereitschaft – und erinnert an den sichtbaren Leerstand.
Derzeit, so ist dem Brief aus dem Verein zu entnehmen, sind die Kleingärtner aber ziemlich sauer. Durch diese unsichere Situation fürchtet der Kleingartenverein, mit seinen insgesamt 322 Mitgliedern, noch schwerer Pächter zu finden. Das gefährde die Zukunft der betroffenen Anlagen.