Kleingartenvereine beklagen Leerstand

Wenn Ingrid Ermer an manchen Parzellen ihres Kleingartenvereins „Elbfrieden“ in Bobersen vorübergeht, wird sie traurig. Von den 136 Gärten, die es hier gibt, sind 37 verlassen. Sie vegetieren dahin. Niemand ist da, um hier Gemüse anzubauen oder Obst zu pflücken. Das Unkraut wächst und überwuchert ehemalige Beete und Rasen, die jahrzehntelang für Menschen aus dem nahegelegenen Riesa ein kleines Wochenendparadies waren. „Doch unsere Mitglieder werden immer älter, und es gibt nur wenige Nachfolger, die die Parzellen übernehmen“, erzählt Ingrid Ermer. Und wenn sie mal einen Nachfolger gefunden hat, muss das nicht unbedingt ein Glücksfall sein.
Die Vorsitzende des Kleingartenvereins „Elbfrieden“ bleibt exemplarisch vor einer verwahrlosten Parzelle stehen. Hier hatte einst eine junge Frau für ihre Kinder einen Rückzugsort im Grünen schaffen wollen. „Am Anfang legte sie auch richtig los“, erinnert sich Ingrid Ermer. Sogar ein Kinderspielhaus steht hier. Doch dann blieb die junge Frau weg und kümmerte sich nicht mehr um ihren Garten. Spielzeug, Tretautos und Plastestühle liegen hier noch rum. „Das hat sie alles zurückgelassen, obwohl es noch brauchbar ist“, sagt die Vereinsvorsitzende und fügt hinzu: „Ich versteh es nicht.“ Die Pächterin sei nach unbekannt verzogen. Leider kein Einzelfall.
„Die Leute können sich einfach so davonstehlen und ihnen passiert nichts. Und die Gemeinschaft trägt die Last“, sagt die 72-Jährige. In der Bobersener Kleingartenanlage gibt es aktuell drei Räumungsklagen gegen Leute, die ihre Pacht nicht zahlen und ihre Parzelle verkommen lassen. „Das häuft sich. Leider.“
Aber es gibt auch die positiven Fälle – junge Familien, die einen Garten übernommen haben, denen es aber schwerfällt, die strengen Vorgaben für Kleingartenanlagen einzuhalten. Die sind im Bundeskleingartengesetz verankert und bindend für alle Pächter.
So schreibt das Gesetz vor, dass mindestens ein Drittel der gesamten Vereinsanlage kleingärtnerisch genutzt werden muss. „Wir haben Mitglieder, die mehr als ein Drittel ihrer Parzellen bewirtschaften, aber es reicht trotzdem nicht“, sagt Ingrid Ermer. „Viele Pächter sind um die 80 Jahre und schaffen es nicht, leere Gärten noch mit zu pflegen.“
Noch eine Vorschrift stößt den Kleingärtnern – nicht nur in Bobersen – bitter auf. Danach darf die Grundfläche der Gartenlaube nicht größer als 24 Quadratmeter sein. Viele Lauben sind deutlich größer, haben auch eine überdachte Terrasse, um es sich an der frischen Luft gemütlich zu machen. Sie stammen noch aus DDR-Zeiten und genießen Bestandsschutz. Doch wenn der Besitzer wechselt, gilt das Bundeskleingartengesetz. Dann ist Schluss mit den überdachten Sitzecken. „Das stößt Interessenten zusätzlich ab“, sagt Ingrid Ermer und fordert: „Es muss unbedingt etwas mit dem Bundeskleingartengesetz passieren, sonst kriegen wir keine Pächter mehr.“
Der Landesverband Sachsen der Kleingärtner e. V. sieht keinen Handlungsbedarf. „Im Gegenteil“, sagt dessen Vize-Präsident Lothar Fritzsch. „Durch das Bundeskleingartengesetz sind die Kleingärtner doppelt bevorteilt.“ Denn sie brauchen dadurch den Bodeneigentümern nur einen verhältnismäßig kleinen Pachtzins zu zahlen. Zudem erhalten die Kleingartenvereine durch dieses Gesetz einen relativ hohen Kündigungsschutz. „Wenn ich also preisgünstig Gartenland pachten will, muss ich auch die Bestimmungen akzeptieren“, so Fritzsch. So sei die Größe von Gartenlauben deshalb beschränkt worden, weil sie ja für das Aufbewahren von Geräten vorgesehen sind und nicht als Wohnort.
Im Übrigen sei der Nachwuchsmangel nur im ländlichen Raum ein Problem. In Städten erfreuen sich Kleingartenanlagen großer Beliebtheit. „In Dresden gibt es riesige Wartelisten“, so der Landesverbands-Vize. In Leipzig wäre das normalerweise auch der Fall. Doch hier gibt es eine Besonderheit. Weil in den ehemaligen Braunkohletagebauen kein Grundwasser mehr abgepumpt wird, sei dessen Spiegel enorm gestiegen. Aus manchen Gärten seien deshalb Wassergrundstücke entstanden.