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Klingende Giganten und eine schweigende Orgel

Bis Ende 2019 soll das Geläut der Baruther Kirche restauriert sein. In einer Loge wartet bereits ein weiterer Sanierungsfall.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Baruth. Das Gebälk knirscht beim Aufstieg. Die hölzernen Tritte des Glockenturms der Baruther Kirche sind ausgetreten. Auf den Stufen liegen kleine, schwarze Krümel als würzige Hinterlassenschaft der Fledermäuse. Die letzte Leiter endet knapp unter zwei Eisenhartgussglocken. Bernd Lorenz sucht sich einen Weg unter den klingenden Giganten und zeigt auf einen leeren Platz. „Hier hing die Prinzenglocke“, sagt der 59-Jährige. Zu seinen Begleitern gehört neben Vereinsmitglied Kerstin Mickan auch Hagen Lippe-Weißenfeld.

Aus den Fenstern geht der Blick weit ins Weißenberger Land. Hagen Lippe-Weißenfeld genießt kurz die Weitsicht, bevor er den Worten von Bernd Lorenz lauscht. Der Rackeler ist das Baruther Glockenlexikon und betreut mit dem Glockenförderverein die Restaurierung der klingenden Kolosse und des Glockenstuhls. Selbstverständlich weiß er, dass jene „Prinzenglocke“ Johanna Friederike Prinzessin zur Lippe-Weißenfeld (1878-1942) der Kirchgemeinde stiftete. Sie war die Frau des Rittergutsbesitzers Clemens Prinz zur Lippe-Weißenfeld (1860-1920) und die Urgroßmutter von Hagen Lippe-Weißenfeld. Dessen Urahnen kommen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Baruth. Durch ein verlorenes Duell geht es von der Oberlausitzer Adelsfamilie von Gersdorff an die Lippe-Weißenfelds über.

Jene von Gersdorffs schenkten jedoch Baruth wohl 1586 die Glocke, weiß Bernd Lorenz und tippt kurz die große Glocke an. Zur Wetterseite nach Westen schimmert sie rostig-braun. „Diese Eisenhartgussglocken läuten seit 1950. Sie haben ihr Rentenalter erreicht“, sagt er. Bei einer Ortsbegehung vor zehn Jahren wurde aufgrund ihres Zustands klar, dass die Zeit der Provisorien im Glockenturm vorbei sein muss. Um das Großprojekt über 283 000 Euro voranzutreiben, wurde der Glockenförderverein gegründet. Nun konnten auch Spenden und Förderungen gesammelt werden. Knapp 20 000 Euro fehlen noch für die Finanzierung. Aber der Glockenförderverein ist optimistisch, dass seine Spendenaktionen weiter fruchten. Und ein wenig hat der Hilferuf der tönernen Giganten auch den Ort zusammenrücken lassen.

Ihre Vorgänger als „Dreier-Geläut“ klingen wohl um 1683 erstmals miteinander. Die Glocken zerschmelzen beim Kirchenbrand am 21. Mai 1813, als Napoleons Truppen das Gotteshaus beschießen. Aus der Glockengießerei Friedrich Gruhl in Kleinwelka kommen zwei Jahre später drei neue Bronze-Riesen. Der Erste Weltkrieg beendet ihr Läuten. Nur die kleinste Glocke darf bleiben. Die mittlere und die große Glocke müssen 1917 in Bautzen abgegeben werden, um aus ihnen später tödliche Granaten zu machen.

Nach 1918 werden wieder neue Glocken gegossen. Zusätzlich stiftet Johanna Friederike Prinzessin zur Lippe-Weißenfeld mit ihrem Sohn die „Prinzenglocke“ anlässlich der Übernahme des Patronats für die Kirche. Kurz zuvor war ihr Mann Clemens Prinz zur Lippe-Weißenfeld gestorben. Gefertigt werden drei Neulinge in der „Schlesischen Glockengiesserei“ in Breslau. Sie fallen nach nur knapp 20 Jahren Hitlers Rüstungssammlung zum Opfer. Lediglich für die „Prinzenglocke“ wird eine Ausnahme gemacht. „Mein Großvater fiel schon 1939, vielleicht hängt es damit zusammen“, sagt Hagen Lippe-Weißenfeld. Die Gruhl-Glocke findet sich nach 1945 auf dem Glockenfriedhof in Hamburg wieder.

Jene glückreichen Bronzeglocken werden nach der Sanierung des Glockenturms an ihre angestammten Plätze zurückkehren. Die beiden Eisenhartgussglocken werden dagegen neu gegossen. Außerdem werden Glockenstuhl, Glockenboden und die Läutetechnik erneuert. In die Finanzierung fließen neben Fördermitteln zahlreiche Spenden sowie Mittel der Landeskirche und des Kirchspiels. Aufgrund der Fledermauspopulation darf nur im Winter gebaut werden. Spätestens im November 2019 soll der Abschluss der Restaurierung gefeiert werden.

Doch den Schwung und das neue Gemeinschaftsgefühl der Baruther möchten Hagen Lippe-Weißenfeld und seine Familie, die auch Mitglieder im Glockenförder- und im Heimatverein sind, nutzen, um ein weiteres Projekt anzustoßen. Eine kleine Orgel aus der Schlosskapelle des ehemaligen Herrenhauses, das Ende der 1940er Jahre abgerissen wurde, steht derzeit schweigend in einer Loge der Kirche. Der damalige Pfarrer rettete das Instrument ins Gotteshaus. „Seine Sanierung möchten wir angehen. Die Glocken haben gezeigt: Man muss Dinge anfangen, damit sich andere dafür begeistern“, sagt der vierfache Vater.

Die Familie wird jetzt zum einen die Bautzener Firma „Hermann Eule“ beauftragen, die Orgel zu begutachten, um einen Kostenvoranschlag für eine Generalüberholung zu bekommen. Gleichzeitig treibt sie die Gründung der gemeinnützigen „Prinzessin Margarete zur Lippe Stiftung“ voran. Ihre Arbeit soll soziales, kulturelles und kirchliches Leben unterstützen und in Baruth in Sachsen wie in Nordrhein-Westfalen, dem Ursprungsland der Lipper, wirken. Und wer weiß, vielleicht ist die Restaurierung der Orgel eines der ersten Projekte, das die Stiftung in Baruth anpackt.

Das Buch „Baruth 1945-50“ und die beiden Bände „275 Jahre Lippe-Weißenfeld“ gibt es bei Dieter Krenz, Hauptstraße 15 in Baruth, und unter www.editionsz.de

Spendenkonto unter www.glocken-baruth.de