Von Reiner Hanke
Der Zappelphilipp machte schon im Struwwelpeter Schlagzeilen. Heute zappelt Philipp immer noch, und das heißt hyperaktiv. Aber ihm kann geholfen werden. Zum Beispiel in der Kinder-Rehabilitationsklinik Neuhirschstein. Die hat sich auf ganz bestimmte Verhaltensstörungen bei Kinder spezialisiert. Hyperaktivität zum Beispiel und damit verknüpft Störungen des Sozialverhaltens oder der Emotionen. Seit fünf Jahren hat der Verein Rehabilitationsklinik Neuhirschstein die Geschicke der Einrichtung in der Hand. Ins Schleudern kam die Klinik bereits im Vorjahr und erlebt seitdem schwierige Zeiten.
Bürgermeisterin Christine Gallschütz macht sich erhebliche Sorgen: „Die Kostenträger weisen immer weniger Kinder zu.“ Jene kritisierten „Kostenträger“ sind Krankenkassen und die Landesversicherungsanstalt Sachsen (LVA). Um tatsächlich wirtschaftlich arbeiten zu können, braucht Neuhirschstein eine 90-prozentige Auslastung. So kalkulierte die Klinik vor einem dreiviertel Jahr. Derzeit sei mit 25 Kindern nur die Hälfte der Betten belegt, so Gallschütz.
Die Bürgermeisterin ist wegen der angespannten Lage in die Offensive gegangen und hat sich auch an den Riesaer Landtagsabgeordneten Wolfram Köhler gewandt. 35 Arbeitsplätze hängen an der RehaEinrichtung. Für Hirschstein ist das sehr viel, sagt Christine Gallschütz. In der Gesundheitsreform sieht Klinikgeschäftsführer Christian Nauck die Ursache für ausbleibende Kurgäste. Überall sei die Auslastung der Reha-Einrichtungen um 10 bis 20 Prozent zurückgegangen. Die Leute müssten regelrecht um solche Kuren kämpfen, so Nauck. Dabei vermutet Bürgermeisterin Gallschütz eher eine steigende Zahl hyperaktiver Kinder und versteht die Gesundheitspolitik nicht.
Dr. Frank Zinsser ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Riesaer Krankenhaus kann die Vermutung aus seiner Praxis heraus stützen: „Gerade die Hyperaktivität nimmt ganz klar zu.“ Zinsser schätzt ebenfalls ein, dass die Versicherer nicht mehr so schnell mit der Genehmigung von Kur-Anträgen sind.
Bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen bestreitet Pressereferentin Barbara Schleif die Vorwürfe. Die Zahl der Reha-Anträge sei insgesamt rückläufig. Wie viele Anträge abgelehnt wurden, könne Barbara Schleif allerdings nicht sagen und ist überhaupt mit Zahlen vorsichtig: „An der Bewilligungsstrategie hat sich in den letzten zwei Jahren nichts geändert. Wir blockieren nichts.“ Die rückläufige Auslastung der Einrichtung in Hirschstein scheint eher eine andere Sprache zu sprechen.
Heute werden sich Fachleute aus sächsischen Reha-Einrichtungen, darunter Hirschstein, in Dresden mit Gesundheitsministerin Helma Orosz treffen. Sie wollen u. a. Licht in den Antrags- und Genehmigungsdschungel bringen. Nauck ist froh, dass sich die Ministerin der Probleme annimmt. Ende des Monats wird sich Helma Orosz dann selbst ein Bild von der Hirschsteiner Einrichtung machen. Das hat der CDU-Landtagsabgeordnete Köhler bereits getan. Köhler sieht die Abhängigkeit von den Kassen ebenfalls kritisch. Zugleich macht er ungenutzte Reserven im Schloss selbst, „mit seiner herrlichen Lage“ aus. Kaum einer wisse um die Klinik. Köhler würder der Klinik eine intensivere Lobbyarbeit verordnen. Dabei könnten auch andere Veranstaltungen rund ums Schloss helfen. Die Möglichkeiten seien längst noch nicht ausgeschöpft, für Neuhirschstein zu trommeln.