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Knüppel auf den Kopf

Der Streit um einen gefällten Baum eskaliert. Deshalb soll der Angeklagte eine hohe Geldstrafe zahlen. Das hätte er deutlich billiger haben können.

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Von Jürgen Müller

Es geht gar nicht friedlich zu vier Tage vor Weihnachten in Wendischbora. Am Ende eines Nachbarschaftsstreits steht ein 74-jähriger Rentner mit einer Wunde am Kopf und sein 57-jähriger Nachbar mit einer Ladung zum Gericht da. Dem Mann aus Pirmasens, der in Nossen Waldgrundstücke besitzt, wirft die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung vor. Er soll mit einem Holzknüppel auf den Rentner eingeschlagen haben, so dass dieser eine Kopfverletzung, Nasenbluten und ein Hämatom erlitt. Der Angeklagte gibt sich unschuldig, will den Spieß rumdrehen. Bis zu jenem Tag habe er ein gutes Verhältnis zu seinem Nachbarn gehabt. Doch dann habe dieser widerrechtlich einen Baum auf seinem Grundstück gefällt. Es kommt zur verbalen Auseinandersetzung, der Mann ruft die Polizei. Man einigt sich, dass der Baumfäller die bereits in Stücken geschnittene Eiche zurückgibt, was dieser auch macht.

Verletzung selbst beigebracht?

Später kommt es zur Eskalation. „Der Nachbar hat aus Rache mich und mein Auto mit Steinen und Holzstücken beworfen. Ich habe mit dem Holzteil lediglich die Geschosse abgewehrt“, sagt der Angeklagte. Die Verletzungen des Rentners könne er sich nicht erklären. Die kann er sich nur selbst beigebracht haben“, so der Angeklagte. Jedenfalls habe er den Mann „nicht bewusst“ getroffen.

Eigenartig: Wenn er so unschuldig ist, hätte er diese Angaben ja bei der Polizei in Pirmasens machen können, wohin er geladen wurde. Er geht aber nicht hin. Stattdessen lässt er es auf eine Gerichtsverhandlung in Meißen ankommen. Merkwürdig auch: An dem angeblich mit Steinen und Holzstücken beworfenen Auto gibt es keinerlei Schäden. Und auch der Angeklagte selbst ist nicht verletzt. Der Rentner dagegen schon. Nach dem Vorfall ruft er Polizei und Rettungsdienst, doch der kommt nicht. Es sei kein Fahrzeug verfügbar, er solle selbst zum Arzt gehen, wird ihm gesagt. Das macht der Mann auch, allerdings erst nach Weihnachten.

Als ihm der Richter die Version des Angeklagten vorhält, schüttelt der Rentner mit dem Kopf: „Oh, oh, oh, um Lügen ist der nie verlegen.“ Bei dem Schlag auf seinen Kopf sei der Knüppel aus Eichenholz gebrochen. Drei Wochen habe er Schmerzen gehabt. „Wenn ich nicht einen Hut mit einer breiten Krempe aufgehabt hätte, wäre der Schädel aufgeplatzt“, sagt er. Freilich, auch er hat sich nicht korrekt verhalten. Den Baum auf fremdem Gelände durfte er nicht fällen, selbst wenn dieser – wie von ihm behauptet – eine Gefahr darstellte. So steht jedenfalls Aussage gegen Aussage, neutrale Zeugen gibt es nicht. Auf das Angebot des Richters, das Verfahren einzustellen, wenn der Angeklagte an den Geschädigten eine Geldauflage zahle, geht dieser nicht ein. So kommt es zu einem Urteil gegen den Mann, der einen Hauptschulabschluss hat und sein Geld mit Handel und Vermieten von Baumaschinen und Immobilien verdient. Die Staatsanwältin fordert für den Mann, der wegen Steuerhinterziehung vorbestraft ist, die Mindeststrafe, die auf gefährliche Körperverletzung steht, nämlich sechs Monate, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Der Verteidiger fordert Freispruch. Für ihn gelte in diesem Falle der Grundsatz, im Zweifel für den Angeklagten.

Das Gericht verhängt die Mindeststrafe von sechs Monaten, urteilt sie aber als Geldstrafe aus. Das bedeutet, der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 60 Euro, insgesamt also 10 800 Euro, verurteilt. 180 Tagessätze entsprechen sechs Monaten Haft. Wäre der Angeklagte auf das Angebot des Richters eingegangen, wäre er deutlich günstiger weggekommen. Aber er will in Berufung gehen.