Von Ulrike Körber
Meißen. Vorbei an Vitrinen mit Gerät zum Geschirrmachen und historischen Zeugnissen über die Geschichte des weißen Goldes in Meißen flanieren die Gäste vorbei, bevor sie einen Saal der Albrechtsburg betreten, wo ihnen der Atem stocken soll. So wünschen es sich zumindest die Ausstellungsmacher Jörg Galinow und Renate Rehberg, die eine Schau der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) aufbauen: Nach dem Rundgang durch die Dauerausstellung der Burg erwarten die Besucher opulente Tafeln mit grünen, weißen, roséfarbenen oder blutroten Damastkaskaden mit Blumenarrangements, Tellertürmen, auskragenden Leuchtern, Figürchen – märchenhafte Tischkompositionen, wie für ein königliches Gelage geschaffen.
Die Tafeln gehören zu den zauberhaften Objekten, die Renate Rehberg und Galinow aufstellten für die Sonderausstellung auf der Burg: 240 Jahre Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin – keine Frage der Zeit. Morgen öffnet die Schau und zeigt Porzellan aus jeder Epoche der KPM. Von barockem Potpourri über Jugendstilservices bis zu modernem Kindergeschirr bietet die Ausstellung eine Auswahl des Angebotes. Historische Raritäten sind dabei, Vasen und Tafelzeug aus neuester Produktion.
Schönes zeigen, verkauft
wird nicht
„Sinn der Ausstellung ist, das Schöne zu zeigen, wir wollen hier nicht verkaufen“, sagt die Stylistin der Berliner Manufaktur. „Wir wollen anregen, sich mit Schönem zu umgeben oder zumindest dazu inspirieren“, ergänzt Galinow. Dazu wenden sie alle Kniffe an, um das Porzellan zu inszenieren. „Wir wollen keine belehrende Vitrinen-Ausstellung, sondern die Sinne der Gäste stimulieren, die fast verschüttet sind“, sagt Galinow. So werden Schaufensterpuppen dekoriert und neben Vasen gestellt, finden sich Porzellannachbildungen von Figurengruppen vom Künstler Gottfried Schadow. Am liebsten wäre den Ausstellungsmachern, die Porzellane ohne Glasdeckel zu zeigen, oder dass zur Schau Musik eingespielt werden würde. „Vogelzwitschern, das Gurgeln von Bächen – es muss nicht immer klassische Musik sein“, sagt Galinow.
Hochwertige Geschirre
aus Berlin
Der französische Ausstellungsmacher und seine Partnerin arbeiteten bereits in New York, gestalteten Feste und Geschäfte, arbeiteten für Kölner Museen. Der Ruf, in Meißen eine Ausstellung für die KPM zu entwerfen, erreichte sie im Dezember. Sie schauten sich die Burg an, und stimmten die Ausstellung auf die Räume ab. Die Idee zur Porzellanschau in der Porzellanstadt hatte die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katja Pinzer-Müller. „Bei der KPM stießen wir auf offene Ohren. Unkompliziert waren die Gespräche und schnell die Objekte herausgesucht“, schildert sie die Zusammenarbeit. „Wir wollen mit dieser Ausstellung das Augenmerk auf die Porzellanstadt lenken, interessierten Porzellanliebhabern die Möglichkeit bieten, hier hochwertige Geschirre aus Berlin zu sehen.“
1763 gab Friedrich der Große seiner „Porcelain Fabrique“ das königsblaue Zepter zum Zeichen. Porzellan war neben den legendären Tabakdosen die zweite Leidenschaft des Preußenkönigs. Er soll bei seinen Bestellungen Einfluss auf Form und Dekor genommen haben. Seit ihrer Gründung arbeiteten in der KPM Maler und Gestalter, die in jeder Epoche stilbildend wirkten. Künstler wie Trude Petri und der Mailänder Designer Enzo Mari zum Beispiel. Trude Petri erhielt für ihre Komposition „Urbino“ den Grand Prix auf der Pariser Weltausstellung 1937. „Urbino“ gilt als vorbildlich für zeitloses Design und ist im Museum of Modern Art in New York ausgestellt.
Auf Tischkultur wird mehr Wert gelegt
Die Stylistin der KPM hofft mit der Schau, auch engstirnige Klotze in Sachen Ästhetik begeistern zu können. Galinow ist da optimistisch: „Die Deutschen haben zwar bisher keine Tischkultur besessen, für sie war Essen Nahrungsaufnahme. Mehr nicht. Vor allem in den Nachkriegszeiten, doch das hat sich gewandelt.“ Er blickt abwägend zur Rocaille-Tafel. „Auf Tischkultur wird zunehmend Wert gelegt. Nicht mehr Brettchen und Töpfe beherrschen die Tafel. Es liegen wieder Servietten da, und das Geschirr soll mehr als nur Gebrauchswert haben.“ Galinow schnalzt mit der Zunge beim Anblick der funkelnden Teller: „Die Tücher, Geschirre, Blüten – da reizt es mich, in die Küche zu stürmen und einen Rehrücken zu machen.“
Die Schau ist vom 7. Mai bis 29. Juni täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr zu erleben; Info: 03521 4 70 70.