Königsbrücker, die ewige Rumpelpiste

Zweieinhalb Jahre Bauzeit – ein Klacks im Vergleich zur langen Vorgeschichte ihrer Sanierung, um die viel gestritten wurde. Seit der Wende beschäftigt der Ausbau der Königsbrücker Straße Behörden, Händler, Anwohner. Nun rückt die Sanierung in greifbare Nähe. 2021 könnten die Bauarbeiten auf Dresdens ewiger Ruckelpiste beginnen. Wenn alles gut läuft. Noch hat der Freistaat das Bauprojekt nicht genehmigt, mehr als 3.000 Stellungnahmen muss die Stadtverwaltung derzeit bearbeiten. Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) ist optimistisch, noch in diesem Jahr soll alles abgearbeitet sein, dann folgt ein Gespräch mit der Landesdirektion.
Die Königsbrücker Straße ist eine wichtige Verkehrsader in der Landeshauptstadt, täglich rollen hier fast 22.000 Fahrzeuge. Sie ist Zubringer für Menschen, die aus dem Umland in die Stadt wollen. Als Teil der Bundesstraße 97 hat sie auch überregional Bedeutung. Innerhalb Dresdens und der Neustadt spielt sie aber auch als Einkaufs- und Kneipenmeile eine Rolle. Wer dort zu Fuß, mit dem Rad oder Auto unterwegs ist, weiß, wie wichtig die Sanierung dieser Magistrale ist. Auf der Königsbrücker Straße holpert’s ziemlich übel, Autos und Lkw stehen im Stau, für Radfahrer ist es sehr gefährlich. Vom Lärm für die Anwohner ganz zu schweigen.
Anläufe für die Sanierung gibt es seit 1996
Wann die Kopfsteinpflasterstraße zum letzten Mal komplett gebaut wurde, weiß die Stadtverwaltung nicht, Unterlagen dazu gibt es nicht mehr. Dabei mangelte es nicht am Bauwillen der Stadt: In den ersten Jahren nach der Wende fehlte das Geld, danach eine Entscheidung. Erste Anläufe für die Sanierung des Abschnitts zwischen Albertplatz und Stauffenbergallee gibt es seit 1996. Seitdem ringen Dresdens Stadträte um einen Beschluss, damit der Freistaat das Projekt genehmigen kann. Dass die Straße dringend saniert werden muss, darüber sind sich alle einig. Strittig ist allerdings das „Wie“. Soll die Königsbrücker in ihrer Größe unverändert bleiben? Schmaler werden? Oder ist es besser, sie zu verbreitern und damit mehr Platz für Autos, Fahrradfahrer und Straßenbahnen zu schaffen? Das hätte zwar zur Folge, dass der Verkehr besser rollt und es weniger Stau gibt. Aber Gehwege würden schmaler werden und Vorgärten, Bäume und Außenplätze von Cafés müssten entlang der Königsbrücker Straße verschwinden.
Die Sache ist komplex, viele verschiedene Ausbauvarianaten wurden in den letzten zwei Jahrzehnten erarbeitet, Verkehrsprognosen erstellt, mehr als vier Millionen Euro von Stadt und Verkehrsbetrieben allein für diese Planungen ausgegeben. Und immer wieder keimte Hoffnung auf bei den staugeplagten Autofahrern. Mit jeder Meldung, die verhieß: Jetzt soll es endlich losgehen. Solche Schlagzeilen waren in den letzten 20 Jahren regelmäßig zu lesen. Anfang 1997 peilte der damalige Stadtplanungsamtsleiter Jörn Walter den Ausbau um die Jahrtausendwende an, Ende 1997 war SPD-Baubürgermeister Gunter Just noch optimistischer und kündigte den Baustart für Ende 1998, Anfang 1999 an.
Dresdens damaliger Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) bekräftigte zwei Jahre später in einem Interview, wie wichtig die Sanierung und „Aufweitung“ von Autobahnzubringern wie der Königsbrücker Straße seien, damit der Verkehr flüssiger rollt. Passiert ist auf der Königsbrücker Straße bis heute nichts.
Zeichen für Sanierung stehen gut
Allein seit 2011 gibt es fünf Stadtratsbeschlüsse dazu. Während CDU und FDP eine breite Ausbauvariante bevorzugen und das mit einer Mehrheit im Stadtrat auch beschlossen, krempelte Rot-Grün-Rot diese Pläne 2016 um. Die Stadt plante in acht verschiedenen Varianten, die weiter untergliedert waren. Insgesamt wurden in all den Jahren mehr als 20 Ausbauvarianten diskutiert. Nun ist ein Kompromiss zwischen einem großen, vierspurigen und einem schmaleren Umbau gefunden. „Seit klar ist, welche Variante realisiert werden soll, arbeiten wir auf einen zügigen Baubeginn hin“, so Schmidt-Lamontain. 30 Jahre nach der Wende stehen die Zeichen nun gut, dass die Sanierung bald beginnen kann. Selbst die politischen Gegner der 2016 beschlossenen Variante lenken ein und sagen: „Endlich bauen!“ Zwischen Albertplatz und Katharinenstraße sowie zwischen Bischofsweg und Stauffenbergallee soll es je eine Fahrspur für Autos und Straßenbahnen geben, in den anderen Abschnitten teilen sie sich einen Fahrstreifen.
Dennoch gibt es bis heute Widerstand: Dresdner, die dafür kämpfen, dass die Königsbrücker Straße saniert, aber nicht verbreitert wird, haben sich in der Bürgerinitiative „Die Königsbrücker muss leben!“ zusammengefunden. Gut 5.000 Unterschriften haben sie an die Landesdirektion übergeben. Sie fordern den Ausbau im Bestand auch, um Baumfällungen zu verhindern.
Gegründet wurde die Initiative 2011 von einem Anwohner der Königsbrücker Straße, Jürgen Thauer. Seitdem ist es ihm gelungen, fast 50 Firmen und Geschäfte entlang der Königsbrücker Straße mit ins Boot zu holen. Weniger Autos, mehr Menschen, so die Forderung. Thauer und seine Mitstreiter wollen den Boulevardcharakter zurückholen, wie ihn Erich Kästner einst beschrieb. Der Dresdner Schriftsteller wuchs Anfang des 20. Jahrhunderts in dieser Straße auf. „Und ich selber bin, was sonst ich auch wurde, eines immer geblieben: Ein Kind der Königsbrücker Straße“, erinnerte sich Kästner als älterer Mann.