Von Gabriele Naß
Seit mehr als vier Jahren plant ein Investor den Bau eines großen Einkaufszentrums in Bischofswerda. Es soll auf dem Gelände ehemals Firma Nolte an der Stolpener Straße entstehen und weit über 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche haben. Als Mieter ist von Beginn an vor allem Kaufland im Gespräch. Bisher gibt es kein Baurecht.
Warum wurde bisher der Gr0ssmarkt nicht gebaut?
Die Stadt und die Mehrheit des Stadtrates lehnten das Vorhaben immer ab. Der Versuch, 2007 über die Änderung des Flächennutzungsplanes Baurecht zu erwirken, scheiterte. Hauptargumente: Bischofswerda hat pro Kopf schon mehr Verkaufsfläche als Städte wie Düsseldorf. Zudem dürfen Kleinstädte (Grundzentren) wie Bischofswerda in Sachsen nach Regionalplanungs-Recht Einkaufszentren dieser Größenordnung nicht bauen, es sei denn, der Bedarf wird nachgewiesen. Der Entwurf eines Einzelhandelskonzeptes für Bischofswerda, der 2008 vorgelegt und diskutiert wurde, schließt den Bau eines Verbrauchermarktes an der Stolpener Straße aus. Im Februar dieses Jahres die Wende: SPD und Linke beantragen im Stadtrat die Änderung des Flächennutzungsplanes mit dem Ziel, Baurecht für den Großmarkt herbeizuführen. Die Mehrheit stimmt zu.
Was soll jetzt der Bürgerentscheid bringen?
Die Initiatoren des vor einer Woche gestarteten Bürgerbegehrens – SPD und Initiative „Bürger für Bischofswerda – vertrauen nicht auf das jetzt mit Stadtratsmehrheit angeschobene Planungs-Rechts-Verfahren. Sie befürchten, dass die Investition trotzdem weiter „blockiert und auf die lange Bank geschoben wird“. Ein deutliches Votum der Bürgerschaft für das große Einkaufszentrum wäre ein wichtiges Argument für den notwendigen Nachweis des Bedarfs der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels in Bischofswerda, sagte SPD-Ortsvorstand Ilko Keßler der SZ auf Anfrage. In ihrem Aufruf zum Bürgerbegehren erklären die Initiatoren: „Rund 80Prozent der Schiebocker befürworten ein großes innerstädtisches Einkaufszentrum. Hier wird gegen den Willen der Bürger Politik gemacht.“ Die Initiatoren des Bürgerbegehrens zählen auch Mitglieder der einheimischen Händlerschaft zu den Unterstützern.
Wie funktioniert der Bürgerentscheid?
Jetzt ist ein Bürgerbegehren eingeleitet worden. Wenn mindestens zehn Prozent der Bischofswerdaer Bürger unterschreiben, dann gibt es einen Bürgerentscheid. Bewohner anderer Gemeinden dürfen nicht unterschreiben. Um Stimmen zu sammeln, verteilen die Initiatoren an Bischofswerdaer Haushalte Flugblätter. Bürger werden gebeten, mit ihrer Unterschrift das Begehren zu unterstützen. Angegeben werden müssen auch die Adresse und das Geburtsdatum. Das ist nötig, um prüfen zu können, ob die Unterzeichner in Bischofswerda wohnen, sagt Ordnungsamtsleiter Tobias Semmer. Bis zum 24. April müssen die Listen im Bürgerbüro Kontor, Kirchstraße 22 abgegeben werden.
Garantiert Bürgerentscheid automatisch Baurecht?
Der Bürgerentscheid kann das vorgeschriebene baurechtliche Verfahren nach Baugesetzbuch nicht ersetzen. Er kann dieses Verfahren initiieren. „Dass dieses Verfahren durchgeführt wird, hat der Stadtrat am 17. Februar beschlossen“, erklärte die Stadtverwaltung.
Was schreibt das Deutsche Baurecht vor?
Erster Schritt hin zu einem Großmarkt an der Stolpener Straße ist die Änderung des Flächennutzungsplanes unter Beteiligung der Öffentlichkeit, der Behörden und Träger öffentlicher Belange. Ziel: Ausweisung einer Sondergebietsfläche. Dieses Verfahren läuft.
Kann der Flächennutzungsplan zugunsten eines Sondergebietes Einzelhandel an der Stolpener Straße geändert werden, muss anschließend ein Bebauungsplan aufgestellt und verabschiedet werden – das wieder unter Beteiligung der Öffentlichkeit, der Behörden und der Träger öffentlicher Belange. Stimmen die Träger Öffentlicher Belange (wie IHK oder Handelskammer) zu, schließt sich ein Baugenehmigungsverfahren in Regie des Landratsamtes Bautzen an.
Geht die Änderung des Flächennutzungsplanes negativ aus, muss die Stadt mit entsprechendem Stadtratsbeschluss ein Zielabweichungsverfahren vom Landesentwicklungsplan bei der Landesdirektion in Dresden beantragen. Im Rahmen dessen muss der Bedarf für zusätzliche Handelseinrichtungen nachgewiesen werden. Bauamtsleiterin Erika Lehmann: „Der Bedarf lässt sich nur über ein Einzelhandelskonzept nachweisen.“ Dieses Einzelhandelskonzept hat die Stadt Bischofswerda im Auftrag des Stadtrates 2008 erstellen lassen.
Warum darf Netto-Nord bAUEN und „Kaufland“ nicht?
Für Einzelhandelsbetriebe bis 800 Quadratmeter – alle Discounter in Bischofswerda – verlangt der Gesetzgeber kein aufwendiges Planungsverfahren, auch keine Änderung des Flächennutzungsplanes. Solche Anträge werden über einen einfachen Bauantrag genehmigt – eine genügend große Fläche in einem Gebiet, welches als Misch- oder Gewerbegebiet eingestuft ist, vorausgesetzt. Bischofswerdas Oberbürgermeister Andreas Erler: „Eine Versagung der Baugenehmigung durch die Stadt ist ... nicht möglich. Wird sie doch versagt, könnte sie auf gerichtlichem Weg vom Investor eingeklagt werden.“
Das war bisher so. Die letzte Novellierung des Baugesetzbuches ermöglicht es Städten und Gemeinden künftig, auch auf die Ansiedlung von Märkten bis zu 800Quadratmeter Einfluss zu nehmen. Voraussetzung: Einzelhandelskonzept als Entscheidungsgrundlage.