Von Helga Koch
Ursula Keil schaut prüfend auf den kleinen Bagger, der vorm Eingang ins künftige Haus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) am Bischofswerdaer Neumarkt tuckert. Gemeinsam mit Ehemann Rudi will die Bischofswerdaerin ihr künftiges Zuhause besichtigen. Die Tür steht sperrangelweit auf, und ausnahmsweise dürfen beide mit Awo-Mitarbeiterin Martina Füllner hinein. „Das hier wird mein Büro“, zeigt die 47-jährige Bautzerin, die zurzeit noch in der Erziehungsberatungsstelle im Awo-Haus am Lutherpark arbeitet und als Ansprechpartnerin fürs Betreute Wohnen fungiert.
Im Innenhof des Gebäudekomplexes Große Töpfergasse 8/10 haben die Handwerker große Packpapierplanen ausgebreitet. Darauf liegen lange, schwere Linoleum-Rollen, die noch passgerecht für die einzelnen Räume zugeschnitten werden müssen.
Vorfreude auf den Umzug
„Als wir damals den Zettel im Briefkasten hatten, dass die Awo seniorengerechte Wohnungen mitten in der Stadt baut, sind wir gleich losgefahren, haben uns beraten lassen und für eine Zweiraumwohnung angemeldet“, sagt Ursula Keil. „Wir hatten das schon mal vor zehn Jahren vor, aber damals hat es nicht geklappt.“ Inzwischen ist Ursula Keil 79, ihr Mann wird nächstes Jahr 85. Den Garten haben sie vor fünf Jahren abgegeben und sich auch vom Auto getrennt. Beide wohnen seit 47 Jahren in einer AWG-Wohnung in der Kleinen Gartenstraße. „Wir verlassen eine wunderbare, große Zweiraumwohnung. Sicher, die Nachbarn werden uns fehlen. Aber alle sagen, dass wir‘s richtig machen“, sagt Rudi Keil, der lange Jahre als Schlosser im Fortschrittwerk gearbeitet hat und auch länger schwer krank war. Seine Frau hat Probleme mit der Hüfte, das Aussteigen aus der Wanne und die Schwellen in der Wohnung werden für sie immer mehr zur Hürde.
In der neuen Wohnung gibt es keine Schwellen. Die Bäder sind groß und haben Duschen zu ebener Erde. „Und wir haben dann sogar einen Balkon“, freuen sich Keils. Säckeweise haben sie Sachen ausrangiert, vieles schon in Koffer gepackt. „Wir können‘s kaum abwarten, bis wir umziehen! Die Kinder helfen uns beim Umzug“, sagen sie und staunen über die Fortschritte in ihrem künftigen Zuhause, während sie mit Martina Füllner durchs Haus gehen. Alle Wohnungen sind anders geschnitten. „Wir haben uns einige neue Möbel gekauft: eine Couchgarnitur fürs Wohnzimmer, neue Schlafstubenmöbel. Hier ist es doch etwas kleiner, alles kann man nicht mitnehmen.“ Die Küche lassen sie umbauen. Den neuen Teppich und eine neue Badgarnitur haben sich Keils schon ausgesucht. „Die Lampen passen alle, aber Gardinen fehlen“, sagt die 79-Jährige, die ihren Mann bei der Wismut kennengelernt hat und seit 56 Jahren mit ihm verheiratet ist.
Pieper für den Notfall
„Ich will auf keinen Fall mal ins Altersheim. Solange wir uns selber kümmern können, machen wir das“, sagt Ursula Keil, die früher unter anderem als Verkäuferin, im Kindergarten und in der Backwarenfabrik gearbeitet hat. Bisher hat sie immer selbst gekocht und wird das auch künftig tun, nach Lust und Laune. „Aber wir können ja auch in der Kamenzer Straße essen gehen. Und immer mal ins Cafe Kalt!“
In der neuen Wohnung wird allen Mietern Betreuung angeboten, jeder Bewohner erhält einen Pieper und kann so im Notfall Hilfe rufen, erklärt Martina Füllner. Vielleicht finden sich auch einige Mieter zusammen und kochen gemeinsam, hofft sie. Auch der Bischofswerdaer Awo-Ortsverein will künftig Angebote im Awo-Haus in der Töpfergasse anbieten. Der Gemeinschaftsraum bietet sich dafür an.