SPD verteidigt das Leipziger Rathaus

Die Spannung in der Wandelhalle des Leipziger Rathauses ist Sonntagabend mit Händen zu greifen. Auf der Großleinwand trudeln alle paar Minuten neue Ergebnisse aus den 477 Leipziger Wahlbezirken ein. Gegen 18.30 Uhr hat der CDU-Herausforderer, der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow, deutlich die Nase vorn – bald darauf aber der amtierende SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung.
Mal jubelt eher die rechte Hälfte des Saales, dann die linke. Gegen 19.30 Uhr ist das Ergebnis klar: Jung hat es noch einmal geschafft. Zwischen den beiden läuft stundenlang ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Nach Auszählung aller 477 Wahllokale liegt Oberbürgermeister Jung schließlich knapp vor Gemkow. Jung kommt auf 49,1 Prozent, Gemkow auf 47,6 Prozent. Die Kandidatin der Piraten, Ute-Elisabeth Gabelmann, lag bei 3,3 Prozent. Absolut beträgt Jungs Vorsprung 3.358 Stimmen.
Größte Vorsprünge in Lindenau und Plaußig-Portitz
Für den Gewinn reicht Jung die einfache Mehrheit der Stimmen. Unter den Briefwählerinnen und Briefwählern ist der Vorsprung von Jung mit 51,3 zu 44,5 Prozent größer. Deutlich fällt die Verteilung der Vorsprünge auf: Das Zentrum der Stadt ist fast durchgehend SPD-dominiert, in sämtlichen äußeren Bezirken liegt die CDU vorn. Am größten ist der Vorsprung von Jung im Leipziger Stadtteil Lindenau mit 76,5 Prozent. Im linken Stadtteil Connewitz liegt er mit 72 Prozent vorn. Gemkow hat anteilig das höchste Ergebnis im Stadtteil Plaußig-Portitz erreicht. Dort liegt er bei 75,7 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit knapp 50 Prozent noch etwas höher als beim ersten Wahlgang.

Burkhard Jung lässt sich bereit kurz vor Ende der Auszählung um 19.30 Uhr für seinen denkbar knappen Vorsprung feiern. Als der Wahlsieger die Treppen des Rathauses zusammen mit Landesparteichef und Wirtschaftsminister Martin Dulig emporsteigt, jubeln ihm die Genossen zu, doch es gibt auch lautstarke „Buh“-Rufe. Vertraute von Jung räumen hinter vorgehaltener Hand ein, dass das Ergebnis auch eine peinliche Schlappe für Jung ist: Nachdem Linke und Grüne ihre Kandidatinnen zu seinen Gunsten zurückgezogen haben, hätte er eigentlich viel deutlicher gewinnen müssen.

Als Jung an diesem Abend vor die Genossen tritt, ist von dieser Kritik nichts zu hören: Ja, ihm sei ein Stein vom Herzen gefallen und ja, die SPD könne noch Wahlen gewinnen, ruft der Oberbürgermeister in den prallvollen Besprechungssaal. Nun wolle er Leipzig als vielfältige, weltoffene Stadt und als Leuchtturm in Deutschland weiter entwickeln.
Dass der politische Stadtplan Leipzigs aus einem roten innenstädtischen Ring und einem schwarzen Kreis in den ländlichen Regionen besteht, sei für ihn ein Ansporn. „Wir haben eine gespaltene Stadt“, sagt Jung. Das Wahlergebnis sei ihm daher Verpflichtung, auf die Menschen in den äußeren Stadtbereichen zuzugehen. „Es ist ein knapper Sieg.“ Er zolle auch Gemkow Respekt – einem Leipziger, den die Stadt in Dresden als Minister gut gebrauchen könne, sagt Jung.
Im Laufe des Abends zeigen sich viele Politikerinnen und Politiker erleichtert über den knappen Wahlsieg Jungs. Auch Manuela Schwesig, die erkrankte Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, gratulierte ihm.

Gemkow zeigt sich an dem Wahlabend als fairer Verlierer. Auch wenn das Ergebnis für ihn enttäuschend sei, gratuliere er Jung zum Erfolg. Er wünsche dem Rathauschef, dass es ihm gelinge, die Stadt wieder zusammenzubringen. Den ersten Wahlgang am 2. Februar hatte Gemkow noch mit zwei Prozent Vorsprung vor dem Amtsinhaber gewonnen und damit für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Es wäre das erste Mal seit 1990 gewesen, dass ein Christdemokrat die Macht in Leipzig übernimmt.
Beim ersten Wahlgang Anfang Februar knapper Vorsprung für die CDU
Den ersten Wahlgang am 2. Februar hatte Gemkow mit knapp zwei Prozent Vorsprung vor Jung gewonnen. Er erhielt vor vier Wochen 31,6 Prozent der Stimmen, Jung nur 29,8 Prozent. In den Tagen danach hatten Linke und Grüne ihre Kandidatinnen zugunsten von Jung zurückgezogen. Auch die Bewerber von FDP und AfD traten im zweiten Wahlgang nicht wieder an, was eher Gemkow genutzt haben dürfte. Insgesamt waren rund 470.000 Leipzigerinnen und Leipziger zur Wahl aufgerufen. Die Debatte um die zunehmend radikale und gewaltbereite linksextreme Szene aus Connewitz hatte den Wahlkampf weitgehend bestimmt. Außerdem ging es um steigende Mieten und neue Konzepte für den städtischen Verkehr.

Der neue Oberbürgermeister wird für sieben Jahre gewählt. Die SPD stellt seit 1990 ununterbrochen den Rathauschef in Sachsens größter Stadt mit derzeit gut 600.000 Einwohnern. Jung regiert seit 2006 im Leipziger Rathaus. Seit vorigem Jahr ist der 61-Jährige auch Präsident des Deutschen Städtetages. (svh)