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Krach ohne Pause

Mit einer öffentlichen Lärmmessung zeigen Betroffene, an welchen Straßen es zu laut ist. Die Autofahrer sind verwundert.

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Von Ines Scholze-Luft

Ohrenbetäubendes Hupen auf der Kötzschenbrodaer Straße. Da ist einer wohl mächtig erschrocken. Der kleine Skoda hinterm Benz. Der Große hat noch schnell gebremst, schon ziemlich dicht dran an der elektronischen Lärmanzeigetafel.

Das erleben die Mess-Männer an diesem Tag nicht nur einmal. Stadtauswärts haben sie sich aufgestellt in Serkowitz. Über ihnen, auf der Tafel mit den Leuchtzahlen, erscheinen alarmierende Werte. Zwischen 65 und 83. Mancher Autofahrer stutzt. So schnell bin ich? Nein, natürlich nicht. Es ist vielmehr der Lärm, der sogenannte Schalldruck, der da angezeigt wird. Dahinter steckt die Kraft, die die Schallwellen auf eine Fläche ausüben. Dargestellt in Dezibel.

Schon 60 Dezibel sind gefährlich für die Gesundheit. Ab 65 Dezibel droht körperlicher Schaden. Was sich in Radebeul besonders auf Meißner und Kötzschenbrodaer Straße bemerkbar macht. Anwohner halten mit Bürgerinitiativen dagegen. Unterstützt vom Bündnis Verkehrsentlastung Elbtal (BVE). Am Mittwoch, zum Tag des Lärms, haben sie öffentlich gekämpft. Auch mit der Messung an der Kötzschenbrodaer Straße im Grundstück von Familie Dressler.

Schon wieder geht ein Autofahrer vom Gas. Nützt nichts. Die Zahl auf dem Display steigt, denn der Pkw kommt dem Lärmmessgerät immer näher.

Etwa 12 000 Fahrzeuge passieren den Ort am Tag. Auf- und abschwellendes Rauschen. Unter 65 Dezibel fällt der Pegel an diesem Nachmittag nicht. Da ist selbst eine Unterhaltung Schwerstarbeit, erfordert höchste Konzentration. Nach einer halben Stunde am Straßenrand summen die Ohren, Kopfschmerzen melden sich.

Nichts Neues für Hans-Jürgen Kuhne von der Bürgerinitiative Serkowitz. Sein größter Wunsch: Dass die versprochene Verkehrsentlastung wahr wird. In Gestalt der Umgehungsstraße, die auf Schildern vor den Häusern gefordert wird. Zumindest für die Strecke zwischen Friedhofs- und Weintraubenstraße. Doch das Vorhaben liegt auf Eis, weiß auch Veit Tittel vom Bündnis Verkehrsentlastung Elbtal. Der Stadtrat hat die Pläne zurück gestellt.

Nun machen sich die Serkowitzer vorerst auch für eine Geschwindigkeitsanzeigetafel stark, erwarten dadurch weniger Raser. Denn Verkehrsmessungen 2012 und 2013 zufolge waren hier 85 Prozent der Lkw mit bis zu 54 km/h unterwegs, bei erlaubten 30 km/h. Der Rest kam gar auf über 54 km/h. Bei den Pkw fuhren 85 Prozent maximal 60 km/h, die übrigen waren schneller.

Was elektronische Anzeigen neben der Fahrbahn bewirken, zeigt die Schalltafel: Bei Blickkontakt werden die Leute langsamer. Handys wandern auf den Beifahrersitz, Sicherheitsgurte vor die Brust.

Noch viel besser klappt das, wenn die Polizei mal wieder kontrolliert, sagt Guido Meys von der Bürgerinitiative Meißner Straße. Und bedauert, dass sie das viel zu selten tut. Sein Mittel gegen Krach: Ohr-stöpsel. Und vierfach verglaste Fenster. Wird gelüftet, geht er in den Garten hinterm Haus. Guido Meys setzt nicht nur auf die richtige Geschwindigkeit. Sondern auch auf den sogenannten lärmoptimierten Asphalt. Von dem alle Lärmgegner hoffen, dass er bald förderfähig ist. Veit Tittel hat dafür ein überzeugendes Argument. Dieser Asphalt bringt so viel, als ob der Verkehr halbiert wird. Eine Entlastung in Größenordnungen, bei immerhin rund 22 000 Fahrzeugen am Tag allein auf der Meißner.

Inzwischen sind einige Wissbegierige herangetreten. Andreas Sehnert hat extra angehalten und fragt, ob das Messgerät auch an seinem Wohnort eingesetzt werden kann. Auf der Zillestraße mit ihrem Kopfsteinpflaster und dem zunehmenden Verkehr. Weil viele dorthin von der Meißner Straße ausweichen.

Vor allem aber wollen die Anwohner der Kötzschenbrodaer wissen, was da auf ihrer Straße geschieht. Kurt Kunath sieht sein Lärmempfinden von den hohen Zahlen auf der Anzeigetafel bestätigt. Gottfried Zimmermann wünscht sich den Blitzer zurück, möglichst auf beiden Seiten. Er kann nicht verstehen, warum der überhaupt abgebaut wurde und sieht die Ängste und Besorgnisse der Leute durch die Stadt missachtet. Nicht nur beim Krach. Ein sehr enges Stück Fußweg auf der Kötzschenbrodaer sei vor allem für radelnde Kinder gefährlich und zu schmal für Leute mit Rollator.

Kein Gespräch vergeht, ohne dass ständig neue Zahlen an der Tafel aufleuchten. Pausenlos. Eine repräsentative Messung ist das allerdings nicht, sagt Veit Tittel. Vor allem soll sie Interessierten zeigen, wie das Ganze funktioniert. Dem Lärm will Tittel trotzdem weiter auf die Spur kommen. Demnächst in einer 24-Stunden-Aktion, deren Ergebnisse jeder auf der BVE-Webseite nachlesen kann.

www.bv-elbtal.de