Vergnüglich ist die Ausstellung nicht. Darauf müssen sich die Besucher einstellen, sagt Igor Janzen. Der Direktor des Museums für Sächsische Volkskunst im Jägerhof hat am Freitag die ersten Gäste einer Schau begrüßt, die ein leidiges Streitthema in so vielen Familien aufgreift: „Kriegsspiele. Rollen, Regeln, Regimenter“ heißt sie und überblickt sehr konzentriert die Geschichte des gespielten Krieges. Dabei geht es um weit mehr, als um Mord und Totschlag im Kinderzimmer. Auch Erwachsene schlagen und vertragen sich spielend – vom Brett- oder Kartenspiel angefangen über Live-Rollenspiele bis hin zu Airsoft-Gefechten und virtuellen Straßenkämpfen zwischen besetzten Ruinen am Computer.
Der Kurator der Ausstellung, Karsten Jahnke, hat die Ausstellung konzipiert und spricht mit der Sächsischen Zeitung über den Versuch, Kriegsschauplätzen eine Hintergrundbeleuchtung zu verschaffen.
Herr Jahnke, was haben Holzmäuse auf einem Brett mit Krieg zu tun?
Das kommt ganz auf die Verpackung an: Ist ein Spiel nur ein Kriegsspiel, weil die Figuren Soldaten sind? Wir zeigen in unserer Ausstellung frühe Manöver mit Zinn- und Holzsoldaten ebenso wie Spiele aus einer Zeit, als das Kriegspielen begann, verpönt zu sein. Im 19. Jahrhundert hießen Brettspiele „Festung“ und in den 70er-Jahren in Ost wie West „Belagerungsspiel“. Später gab es „Fuchs und Henne“, bei dem die Hennen den Fuchs aus ihrem Stall vertreiben mussten. Kriegsspiele sind ein Spielformat nach dem Prinzip „Allein gegen alle“ oder „Zu zweit gegen den Rest der Welt“. Da können auch Mäuse ihre Rollen spielen.
Rollenspiele beim Larp-Spiel stellen Sie ebenfalls vor. Was ist dabei kriegerisch?
Die Bezeichnung kommt aus dem Englischen und meint Live-Spiele, bei denen die Spieler sich meist in Wäldern treffen und in verschiedene Rollen schlüpfen, die alle im Fantasybereich angesiedelt sind. Nach einer Spielanleitung, die einem Drehbuch ähnelt, spielen sie eine Art Film, den nie ein Publikum zu sehen bekommt. Dabei kann es auch kriegerisch zugehen. Aber eben nicht nur.
Sondern?
Diese Livespiele offenbaren eine ungeheure Fantasie. Als ich vor etwa einem Jahr begann, mich an das Thema dieser Ausstellung heranzutasten, hatte ich allenfalls davon gehört. Dann habe ich Kontakt zur Szene aufgenommen, die in Vereinen organisiert ist. Später auch zu Gruppen, die sich treffen, um Airsoft-Spiele zu spielen. Das ist Krieg mit echt wirkenden Waffen und kleinen Kügelchen als Munition. Außerdem gibt es die Paintball-Variante mit Farbgeschossen.
Da laufen Leute durch den Wald und ballern sich zum Schein gegenseitig ab. Was ist daran fantasievoll?
Oder sie beschießen sich am Computer. Genau das ist unser Anliegen – die Frage: Wer spielt auf solche Weise Krieg? Wie tut er das und warum? Viele Eltern wissen gar nicht so recht, was ihre Kinder auf ihren Handys oder Computern alles spielen. Sie scheuen sich sogar davor, es zu wissen. Das ist in vielen Fällen gefährlicher als die Ballerspiele selbst. Wir versuchen nicht, zu psychologisieren oder moralische Fragen zu klären. Aber wir bieten einen Blick hinter die Kulissen der Ritter und Trolle, als die verkleidete Larp-Fans kämpfen. Wir geben Einsicht ins Regelwerk derer, die aus Maschinenpistolen Plastikkügelchen auf Gegenspieler abfeuern. Das ist kein wildes Geballer, sondern geht sehr geordnet zu.
Macht das das Bekriegen besser?
Jeder Besucher wird mit seinen eigenen moralischen Grundsätzen und auch Vorurteilen in die Ausstellung kommen. Es geht hier nicht ums Bekehren, sondern darum, darüber zu reden. Und es ist doch interessant zu erfahren, dass Sicherheit und Fairness bei Airsoft-Spielen oberste Priorität haben. Die Leute, die ich aus diesem Kreis kennengelernt habe, gehen damit vernünftig und verantwortungsbewusst um. Wenn die Spiele auch wirklich martialisch und befremdlich wirken, es steckt ganz viel kreatives Potenzial, Spaß, Sport, Action und Gemeinschaftssinn dahinter.
Sie sprachen von einer großen Kreativität. Wie meinen Sie das?
Live-Rollenspiele zum Beispiel sind sehr komplex. Da gibt es genaue Anleitungen, wie sich welche Figur zu verhalten hat, was sie sagt, darf und nicht darf. Dieses Rollenbuch muss man erst mal ausarbeiten, dazu die Requisiten bauen, die Kostüme nähen und die vielen Spieler koordinieren.
Wie steht es um die Mordlust am Computer?
An vier Spielen zeigen wir, was sozusagen hinter den Bildschirmen passiert, während die Spieler virtuell vernetzt mit- oder gegeneinander agieren. Was sie außerdem verbindet und was sie sprechen. Ich habe bei meiner Arbeit erfahren, dass junge Leute eben nicht nur der realen Welt entrückt und vereinsamt am Computer sitzen, sondern dass sie sich zwar im Netz treffen, aber auch im richtigen Leben begegnen, auf sogenannten Lan-Partys.
Warum spielen fast nur Jungs Krieg. Oder täuscht das?
Es täuscht nicht. Wir sprechen von einer männlichen Spielwelt. Warum das so ist, darüber wird noch viel geforscht. Ich bin dafür kein Experte. Aber Mädchen sind nicht ausgeschlossen. In der Geschichte spielten sie die Krankenschwester im Lazarett. Eine alte Dame hat dem Museum ihre Ritterburg geschenkt. Die Burg war für sie ein märchenhafter Rückzugsort, kein Kriegsschauplatz.
Sollten Eltern die Kriegsspiele ihrer Kinder einschränken, vor allem am Computer?
Als Vater meine ich: Kontrolle funktioniert nicht auf Dauer und schon gar nicht, wenn die Kinder älter werden. Wichtig ist doch, dass man sich für ihre Spiele interessiert, sich austauscht, die Jungen von den Alten erfahren, was die einst gespielt haben, und hier wie da ein Licht aufgeht.
Das Interview führte Nadja Laske.