Von Anja Weber
Viele junge Sebnitzer kamen gestern zur Kranzniederlegung an das Ehrenmal auf der Bahnhofstraße. Das fällt auf. Ist die Region endlich aufgewacht? Während in den letzten Jahren vor allem Senioren am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZs Auschwitz, der Opfer des Naziregimes gedachten, kamen gestern auch zahlreiche Mittelschüler und Gymnasiasten an den Gedenkstein. In einer Zeit, in der radikale Ideen in der Sächsischen Schweiz und in Sebnitz wieder neuen Nährboden finden, wollten sie ein Zeichen setzen.
Sie kamen aus Sorge um die Zukunft, wie in den Reden und Meinungen zu hören war. Sie demonstrierten damit vor allem eines: Es ist Zeit, sich zu erinnern und gleichzeitig etwas zu tun, damit sich derartige Greueltaten, die die Nazis verübten, nicht wiederholen. Die Gefahr ist da. Das war auch für Holger Bartz vom Sebnitzer Verein Jugend macht was (Jumawa) ein Grund, gestern mit dabei zu sein. „Gerade jetzt spüren wir doch, wie schnell die Zeit von damals wieder zurück kommen kann“, sagte er gegenüber der SZ. Deutliche Worte fand der Sebnitzer Oberbürgermeister Mike Ruckh (CDU): „Wir lehnen jede Form des Extremismus und der Gewalt ab. Wer die Grundrechte der Menschen mit Füßen tritt, hat bei uns nichts zu suchen. Mit dem wollen wir nichts zu tun haben“, sagt er. Er mahnte, dass die Erinnerungen nicht verblassen dürfen. Deshalb sei es wichtig, vor allem die Jugend immer wieder mit dem Thema zu konfrontieren. Der Oberbürgermeister appellierte an alle Sebnitzer, sich offen gegen extremistische Tendenzen zur Wehr zu setzen, dagegenzuhalten, aufzustehen. Das Erinnern an die Zeit des Faschismus soll helfen, diesen demokratischen Weg zu gehen. Darüber waren sich die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung einig.
Joachim Rasch, der evangelische Pfarrer, erinnerte mit seiner Geschichte an den Todesmarsch von Schwarzheide nach Terezín, auf dem die Häftlinge von den Nazis auch durch Sebnitz getrieben wurden. Er erinnerte an die ermordeten Juden Frieda Hänsel, Benno Lubranitzki und Gustav Baruch. Ihrer zu gedenken ist das Eine, dafür zu sorgen, dass sich diese Zeit nicht wiederholt, das Andere. Deshalb mahnte Pfarrer Rasch, nicht alles hinzunehmen, sondern zu widersprechen. „An den alltäglichen Kleinigkeiten entscheidet sich, ob sich das wiederholt, was geschehen ist“, sagt er.
So wie in Sebnitz wurde in Hohnstein der Opfer des Naziregimes gedacht. An traditioneller Städte. Denn das heutige Naturfreundehaus war fünf Jahr lang Konzentrationslager. Über 500 Häftlinge wurden hier gefoltert und gequält. Der erste Häftling war der Hohnsteiner Konrad Hahnewald. Während in Sebnitz vor allem auch Jüngere kamen, überwog in Hohnstein die ältere Generation, die im mahnenden Gedenken und aus Sorge um die Zukunft vor dem Ehrenmal inne hielt. Mit ihrer Anwesenheit demonstrierten die Hohnsteiner, Ehrenberger, Ulbersdorfer, Lohsdorfer und Rathewalder, dass sie nicht bereit sind, sich zu beugen und der NPD das Feld zu überlassen. „Der skandalöse Auftritt der NPD im Landtag ist eine Zumutung für jeden Demokraten und eine Verachtung der Menschenwürde“, sagte der Hohnsteiner Ratschef Wolfram Lasch (CDU). Es sei an der Zeit, dass diese Leute endlich Widerstand spüren.
Hugo Jensch, Geschichtslehrer aus Pirna, berichtete über die Verbrechen der Nazis in der Sächsischen Schweiz. Als Verfasser des Buches „Unterm Hakenkreuz“ ist er einer derjenigen, die im Landkreis Sächsische Schweiz am besten wissen, was sich hier in der Region in der Zeit des Faschismus abgespielt hat. Wer das negiere, vergifte die Gesellschaft, „verfälscht die Geschichte und verfälscht die faschistische Barbarei.“ Deutlich forderte er: „Wir sollten uns erheben und dem mit Entschiedenheit entgegentreten.“ Das taten zahlreiche Menschen gestern. Überall, auch in Pirna, wo die offizielle Feier des Kre Landkreis stattfand, in Heidenau, in Struppen und in Bad Gottleuba war die Zahl derer gestiegen, die mit ihrem Erscheinen ein Zeichen gegen Rechts setzen wollen. Die Region scheint aufgewacht zu sein aus ihrer Lethargie, die sie nach den erschreckenden Wahlerfolgen der NPD 2004 befallen hatte.