Von Annett Heyse
Heron von Alexandria war das, was man hochachtungsvoll als Universalgenie beschreibt. Er entwickelte mathematische Verfahren, Vermessungsgeräte und sogar den Vorläufer einer Dampfmaschine – was in der Zeit um Christi Geburt durchaus innovativ war. Und Heron von Alexandria kann auch noch als Erfinder des Trickfilms durchgehen, war er doch der erste, der automatische Theater mit Spezialeffekten ersann.
Eine ganze Minute pro Woche
Kein Wunder also, dass sich Trickfilmer Jörg Herrmann aus dem Kreischaer Ortsteil Gombsen ausgerechnet jenen Heron als Namenspatron für eine neue Erfindung auserkor. Jörg Herrmann hat nämlich gemeinsam mit seinem Sohn Friedrich und zwei, drei weiteren Mitstreitern eine Trickbank ausgetüftelt, die die Arbeit im Studio erleichtern, vor allem aber beschleunigen soll. 15000Euro und zwei Monate Arbeit haben die Trickfilmer in „Heron“ gesteckt. „Jetzt können wir statt bisher 40 Sekunden Film in der Woche eine ganze Minute produzieren“, schwärmt Herrmann. Pro Woche spare er so einen Drehtag.
Die Trickbank soll sofort zum Einsatz kommen und zwar bei dem derzeitigen Krabat-Projekt. Der Film mit dem Titel „Der siebente Rabe“ entsteht im Auftrag der Domowina, des Bundes Lausitzer Sorben, im Gombsener Studio. Und weil Jörg Herrmann einer der letzten gelernten Silhouetten-Trickfilmer ist, wird sein Krabat einer jener kleinen, holden und durchaus liebenswerten Finsterlinge sein, mit denen Herrmann in der Fachwelt bekannt geworden und geachtet ist.
Ein Silhouettenfilm setzt sich aus Tausenden fotographierten Einzelbildern zusammen. Pro Sekunde Film bedarf es 25Bilder, für eine Minute 1500 einzelner Aufnahmen. Dabei wird es auch mit „Heron“ bleiben. Entfallen werden aber aufwendige Dekorationsarbeiten, die bisher viel Zeit gekostet haben. Die gläserne Trickbank mit ihren Maßen von 3,25 mal 1,25 Metern ist nämlich dreimal so groß wie herkömmliche Tricktische. Über „Heron“ ist die fahrbare Kamera angebracht. Sie schafft das, was bisher Handarbeit war oder lediglich unvollkommener Halbautomatismus: Kamerafahrten zu produzieren. „Viele Trickfilmer haben sich an diesem Problem probiert. Bisher hat es keiner geschafft, etwas Praktisches zu entwickeln.“
So blieb den Scherenschnitt-Experten aus Gombsen nicht viel mehr übrig, als ein paar Sequenzen zu belichten, dann die Dekoration umzubauen und wieder ein paar Sequenzen zu belichten und wieder umzubauen.
Alles Geschichte. „Jetzt kann es richtig losgehen“, freut sich Jörg Herrmann und reibt sich die Hände. 68Jahre alt ist er jetzt, aber kein bisschen arbeitsmüde. Und es gibt noch viel zu tun.
Im Juli soll sein Krabat fertig sein. Das Prinzip ist einfach: Von Hand ausgeschnittene Silhouetten werden auf den von unten beleuchteten „Heron“ gelegt und im Bild festgehalten. Schrittweise verschiebt der Animateur die schwarzen Pappfiguren, macht von jeder Position eine Aufnahme. Am Ende werden die Einzelbilder automatisch zusammengefügt und es entstehen komplexe Bewegungsabläufe. Hintergründe werden schließlich per Computer eingefügt.
Sohn Friedrich Herrmann hat sich vor allem um die Technik gekümmert und die Software für die Kamerafahrten programmiert. Was das Trickfilmhandwerk anbelangt, sei er noch Lehrling. „Irgendwann einmal werde ich hier richtig mit einsteigen und die Tradition fortsetzen.“ Lehrstunden könnte er auch in baldiger Zukunft nehmen: Vater Jörg plant nämlich schon eine Fortsetzung des Krabat, nochmals 45Minuten lang.