Kreistag & Corona: Ein Drama in vier Akten

Bautzen. Seit sechs Wochen gab es im Bautzener Theater keine Vorstellung mehr. Doch das Stück, das am Montagabend auf der Bühne und im Saal lief, hätten sich kein Shakespeare oder Schiller so ausdenken können. Der Reihe nach:
Prolog: Einzug mit Maske
Corona bringt alles durcheinander, auch den Zeitplan des Bautzener Kreistages. Die für den 16. März geplante Sitzung war ausgefallen, die nächste soll am 18. Mai stattfinden. In den vergangenen Wochen traf Landrat Michael Harig (CDU) einige Eilentscheidungen, doch manche können nur die Abgeordneten fällen. Deshalb rief Harig die Kreisräte für diesen Montagabend zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, aber nicht wie gewohnt im Landratsamt. Sondern im Deutsch-Sorbischen Volkstheater.
Dessen Saal ist groß genug, dass zwischen den einzelnen Personen ein paar Plätze als Sicherheitsabstand frei bleiben konnten. Am Einlass bekam jeder, der keine bei sich hatte, eine Mund- und Nasenmaske. Auf der Tagesordnung standen nur vier Themen, alle rechneten mit einer kurzen Sitzung…
Erster Akt: Container für Schulen
Zwei Schulen in Radeberg und Großröhrsdorf sind zu klein für die dort angemeldete Zahl von Schülern. Um das Problem schnell zu lösen, will der Landkreis für das neue Schuljahr Unterrichts-Container aufstellen. Vor der Sitzung am Montag hoffte Harig auf einen zügigen Beschluss. Dagegen stand ein Antrag der AfD-Fraktion, die das Thema erst noch im zuständigen Kreistags-Ausschuss behandeln wollte.
Eigentlich wollte Harig dem Kreistag empfehlen, dem AfD-Antrag nicht zu folgen. Warum er plötzlich von dieser Linie abrückte, bleibt sein Geheimnis. Nun hat am kommenden Montag zunächst der Kultur- und Bildungsausschuss das Wort.
Zweiter Akt: Corona
Die Vize-Landräte Udo Witschas und Birgit Weber nahmen sich mehr als eine Stunde Zeit, um das Thema Corona von der ersten Infektion im Landkreis Anfang März bis jetzt in allen Details aufzurollen. Ans Mikrofon auf der Bühne traten übrigens alle Redner ohne Maske, schließlich war vor dem Pult genug Platz.
Nur Amtsärztin Dr. Jana Gärtner behielt ihr Textil vor Mund und Nase auf und bezeichnete sich selbst als Masken-Fan. Ein Stichwort für die AfD-Abgeordnete Heike Lotze, die der Amtsärztin vorwarf, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Jana Gärtner hatte in einem Interview zum Tragen von Masken aufgerufen - das hätte sie nach Ansicht von Heike Lotze nicht tun dürfen. Kleinlaut dankte die junge Amtsleiterin für diesen Hinweis – „so habe ich mir Ihre Reaktion gewünscht“, sagte daraufhin Lotze.
Doch diesen Triumph wollte SPD-Fraktionschef Gerhard Lemm der AfD-Abgeordneten nicht gönnen. „Sie sollten dem Team von Doktor Gärtner für die Arbeit danken, statt sie anzugreifen“, rief der Radeberger Oberbürgermeister in den Saal. „Gesundheitsfürsorge gehört zu den Aufgaben der Amtsärztin.“ Die AfD-Frau hielt dagegen, ein Wort gab das andere, beide wurden immer lauter – es blieb nicht der einzige Disput zwischen Lotze und Lemm. Freunde werden die Beiden in diesem Leben wohl nicht mehr.
Dritter Akt: eine geheime Wahl
Die Wiederwahl von Birgit Weber zur Beigeordneten schien nur eine Formsache. Seit dem 1. Mai 2013 ist die jetzt 54-Jährige zweite Stellvertreterin von Harig, leitet acht Ämter mit insgesamt rund 700 Mitarbeitern. Da ihr Vertrag am Donnerstag dieser Woche endet, musste sie sich zur Wiederwahl stellen. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.
Von den Abgeordneten, die für Birgit Weber warben, fiel besonders Harry Habel (CDU) auf. Der Bernsdorfer Bürgermeister bezeichnete die Wahl-Oberlausitzerin als Frau, die sich für die Region den Hintern aufreiße. Allein AfD-Fraktionsvorsitzender Henry Nitzsche wäre sich untreu, hätte er nicht auch hier ein Haar in der Suppe gefunden. Er verglich die Stellenausschreibungen für Weber jetzt und für Udo Witschas vor fünf Jahren. Und da gab es 2015 einen Satz, den Nitzsche jetzt vermisste: „Der Beigeordnete soll ein gutes Verhältnis zum Kreistag haben.“
Ob Frau Weber den Abgeordneten nun ruppig kommen dürfe, stichelte der AfD-Fraktionschef in Richtung Landrat. Die Frage traf Harig kalt. „Das ist mir bei der Ausschreibung gar nicht aufgefallen, da werde ich in Zukunft drauf achten.“ Er gehe natürlich von einem guten Verhältnis zum Kreistag aus.
Harig wollte eine offene Wahl, doch mehrere Abgeordnete stellten sich quer. Also mussten alle in die Wahlkabinen und an die Urnen, eine zeitraubende Prozedur. Am Ende votierten mehr als zwei Drittel der Abgeordneten für eine weitere Amtszeit von Birgit Weber. Für das Glückwunsch-Foto vergaßen Harig, Witschas und Weber kurz alle Mundschutz- und Abstandsregeln.
Vierter Akt: Streit um Hallenbad
Rund eine Stunde lang stritten sich Harig, Witschas und Lemm auf der einen Seite mit Nitzsche und Lotze auf der anderen um den geplanten Neubau einer Schwimmhalle in Kamenz. Das alte Hallenbad aus den 1970er Jahren soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Darin soll vor allem Schul- und Vereinsschwimmen stattfinden, wofür ein Bedarfsplan her muss. Dieser soll nun bis zur Kreistagssitzung im Juli erarbeitet werden, dann steht das Kamenzer Hallenbad erneut auf der Tagesordnung.
In der Sitzung am Montag gab es dazu ein Hickhack, dem viele Abgeordnete nur noch kopfschüttelnd folgten. Am Ende wurde es Dawid Statnik (CDU) zu bunt. Er bat Harig, in Zukunft doch mehr auf die auf fünf Minuten begrenzte Redezeit der Abgeordneten und die Einhaltung der Geschäftsordnung zu achten. „Wir haben jetzt dreieinhalb Stunden gesessen für zwei Beschlüsse“, ärgerte sich Statnik.
Sein Fraktionskollege Habel konnte der Sitzung im Theater durchaus Positives abgewinnen: „Hier sind die Stühle bequemer als im Landratsamt.“ Dafür gibt es im Landratsamt Getränke, diesmal in dreieinhalb Stunden nicht mal ein Glas Wasser.
Epilog: Bautzen hatte wieder mal Theater
Eine Kreistagssitzung ist Geschichte, die wegen der gehörten Anschuldigungen und Spitzfindigkeiten im Gedächtnis bleiben wird. Die Beschlüsse gerieten fast zur Nebensache. Über die Maskenpflicht murrte niemand, auch wenn aus den AfD-Reihen schon mal das Wort Hygiene-Diktatur zu hören war.
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