Küchen kochen auf Sparflamme

Kohlroulade mit Salzkartoffeln steht auf dem Speiseplan. Alternativ hätte man sich für Hähnchenschnitzel oder Milchreis entscheiden können. Halb zehn verlässt die erste und zugleich weiteste Tour nach Niesky den Hof der Küche BS GmbH in Weißwasser. Gegen dreiviertel elf verstaut eine Mitarbeiterin Thermoboxen mit Assietten in ihrem Fahrzeug und packt noch Becher mit Kompott ein. Sie wird von Senioren schon erwartet. Jetzt in der Corona-Krise, da die Menschen angehalten sind, zu Hause zu bleiben, ist der Lieferservice für etliche betagte Menschen in Weißwasser und Umgebung die einzige Möglichkeit, an ein warmes Mittagessen zu kommen. Das weiß auch Geschäftsführer Mike Ramm. „Solange es die Verfügungen des Freistaats erlauben, liefern wir zuverlässig und so, wie es vereinbart ist“, verspricht er.
In der Kantine der BS-Küche in der Südstraße kann man sich zwar nicht mehr hinsetzen und essen, sich aber Essen holen und mit nach Hause nehmen. „Allerdings nur in einer Assiette“, wie Mike Ramm ausdrücklich betont. „Manche Senioren haben sich ihr Essen in einen Topf abfüllen lassen, das ist nicht mehr möglich“, fügt er hinzu.
Gekocht wird nur noch, was tatsächlich ausgeliefert werden kann. Normalerweise versorgt die BS-Küche eine Kita, zwei Grund- und eine Oberschule in Weißwasser sowie die Oberschule in Krauschwitz. Seit die Einrichtungen geschlossen oder auf Notbetreuung umgestellt sind, wird kaum oder gar kein Essen mehr bestellt. Und dass einige Unternehmen, Geschäfte oder Ingenieurbüros nicht mehr arbeiten (dürfen), macht sich ebenfalls bemerkbar. „Die Aufträge sind um die Hälfte zurückgegangen“, sagt Mike Ramm. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Küche BS GmbH Kurzarbeit anmelden muss.
Essen auch bei Notbetreuung
Die Frage beschäftigt auch Günter Rossow. Er ist Betriebsleiter des Teilbetriebs Menüservice Weißwasser der Oberlausitzer Dienstleistungs- und Service GmbH Bautzen. Die ODS betreibt in Weißwasser eine Kantine in der Telux in der Straße der Einheit. Publikumsverkehr ist dort nicht mehr erlaubt. Mitarbeiter der Ämter können sich jedoch an einer Fensterausgabe Essen holen und ihre Büros mitnehmen. Die Essenausgabe nutzen auch Handwerker und Senioren. Vorsichtshalber seien Abstandslinien aufgebracht worden. Eigentlich kocht der Menüservice Weißwasser für eine Oberschule und zwei Kitas in der Stadt sowie eine Kita in Krauschwitz bis zu 500 Portionen pro Tag. Das sei wegen der Schließung drastisch zusammengebrochen. „Wir wollen trotzdem unsere Verträge erfüllen“, versichert Günter Rossow. Soll heißen, auch wenn in der Notbetreuung in einer Kita nur ein einziges Kind zu versorgen ist, wird Essen geliefert. Wegen der Umsatzeinbußen bis zu 60 Prozent musste der Personalbestand halbiert werden. Einige Mitarbeiter bummeln Überstunden ab.
Bei Rita bleibt die Küche kalt
„Mach mal stop“ hieß es bislang an Ritas Kantine in der Heinrich-Heine-Straße in Weißwasser. Montag bis Freitag von 6.30 bis 13.30 Uhr geöffnet gab es dort ein Frühstücksangebot und Mittagessen. Vor allem Handwerker hielten dort in ihren Pausen regelmäßig an. Das ist nicht mehr möglich. Wegen der Entwicklung rund um das Corona-Virus bleibt der Herd kalt und die Kantine geschlossen. Voraussichtlich bis zum 22. April, wie auf einem Aushang zu lesen ist.
Situation bringt alle an Grenzen
Angespannt ist die Situation auch im Menüservice Oase in Trebendorf. Dort wurde für drei Kitas gekocht. Alles weggefallen, ebenso wie die Bestellungen aus Handwerksfirmen und Geschäften. Wenigstens laufe die Versorgung von Pflegeeinrichtungen weiter, werden auch Senioren zu Hause beliefert – mit Essen auf Rädern bis an die Tür. Das Unternehmen besteht seit 25 Jahren. „Wir haben schon schlechte Zeiten durchgestanden. Aber das hier bringt alle an ihre Grenzen“, sagt Inhaberin Daniela Jantke. „Andere sind noch schlimmer dran wie die Gaststätten, die ganz schließen mussten“, fügt sie hinzu. Für eine gewisse Zeit könne sie durchhalten, mehrere Monate jedoch nicht. Dann müsste sie ihre zehn Mitarbeiter, einschließlich der Pauschalkräfte, in Kurzarbeit schicken oder entlassen. Daniela Jantke verweist auf die schnelle Hilfe, wie sie die Politik versprochen hat. Doch es sehe noch nicht so aus, dass diese Hilfe wirklich schnell geht.
„Ich muss mich irgendwie über Wasser halten“, sagt Gabriele Lehmann. Von der Schulspeisung Weißkeißel wurden sonst zwei Kitas in Weißwasser beliefert. Eine versorgt sich wegen des sehr geringen Bedarfs in der Notbetreuung selbst, die andere Einrichtung braucht gerade mal zwölf Essen. Bis zu zehnmal so viele Portionen wurden sonst für beide Kitas pro Tag geordert. Noch versorgt die Schulspeisung Lehmann auch Senioren in Weißkeißel. Doch wie es weitergeht, sei mehr als ungewiss.
Anmerkung der Redaktion: Wie stets bei solchen Geschichten ist die Auswahl der genannten Firmen unvollständig und soll lediglich einen Querschnitt darstellen.