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Kürzere Wege, auch nach Polen

Seit 100 Tagen ist Ewald Ernst im Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Neißeaue. SZ sprach mit ihm darüber.

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Herr Ernst, wie bewerten Sie die ersten 100 Tage in Ihrem neuen Ehrenamt als Bürgermeister?

Zunächst brauchte ich einen gewissen Zeitraum, um mich in die Dinge hineinzuarbeiten und um laufende Projekte abzuschließen. Aber das ist in den ersten 100 Tagen soweit gelungen bzw. steht vor der Vollendung.

Welche Dinge meinen Sie da konkret?

Das Ortschaftszentrum von Groß Krauscha wurde umfangreich saniert und mit einem neuen Dach versehen. Im Nesselgut in Zodel haben wir den Außenbereich neu gestaltet, zwei neue Brunnen zur Versorgung mit Trinkwasser in Zodel sind gebohrt, und die Trinkwasserleitung von Zodel nach Deschka wird neu verlegt. Wir vollenden die Straßenbeleuchtung in Deschka und an der neuen Grenzbrücke. Wobei ich sagen muss: Hier steckt viel Arbeit von meinem Vorgänger, Hermann Walter, und natürlich vom Gemeinderat drin.

Gerade im Gemeinderat stehen Sie vor der Herausforderung, die unterschiedlichen örtlichen Interessen zwischen Kaltwasser und Zodel in Einklang zu bringen. Bei einer so großen Flächengemeinde keine einfache Sache.

Für mich ist wichtig, dass der Bürgermeister nicht der alleinige Ideengeber ist. Hier sind auch die Meinung und der Rat der einzelnen Vertreter der Ortsteile gefragt. Dazu bemühe ich mich, auch in den Sitzungen der einzelnen Ortschaftsräte mit dabei zu sein, um gleich auf direktem Weg zu erfahren, wo etwas getan werden muss.

Nun sind Sie der Bürgermeister einer Gemeinde, die finanziell auf festen Füßen steht und mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 403 Euro im Landkreis recht gut da steht. Fällt da das „Regieren“ leichter?

Ein gesunder Haushalt macht einiges leichter, aber das ist nicht mein Verdienst, sondern der meines Vorgängers. An mir liegt es nun, diese Finanzpolitik fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass die Gemeinde Neißeaue weiter wächst, ohne sich dabei zu verausgaben. Dieses Jahr bringen wir 90 000 Euro an Kredittilgung mehr auf.

Dennoch stehen einige Investitionen an, die die sonst üblichen Ausgaben sprengen dürften.

Unser großes Vorhaben für dieses und nächstes Jahr ist der Bau der Kindertagesstätte in Groß Krauscha. Dabei ist der Bau das eine, die Hülle muss auch mit Leben erfüllt werden. Wir schaffen einen deutsch-polnischen Begegnungskindergarten, in dem der zweisprachige Umgang miteinander geübt und gepflegt wird.

Das setzt auch höhere Anforderungen an das Personal voraus.

Ja, wir sind dabei, das Personal für diese neue Aufgabe zu schulen. Bereits jetzt haben wir in der Kita in Deschka einen polnischen Praktikanten im Einsatz, wo die Zweisprachigkeit bereits gepflegt wird.

Deutsche und Polen finden aber nicht nur in dem Kindergarten zueinander?

Nein, das setzt sich an der Grundschule Zodel fort, wo ein polnisches Sprachprofil angeboten wird, bis hin zu den Vereinen. Die Feuerwehren zwischen Neißeaue und Piensk (Penzig) haben bereits einen Partnerschaftsvertrag, der Sportverein Zodel will ihn mit der polnischen Sportgemeinschaft abschließen. Es entwickelt sich also etwas, und das nicht nur auf politischer Ebene.

Woran es noch fehlt, ist ein direkter Weg über die Neiße, auch wenn die Brücke schon steht.

Mit der neuen Fußgängerbrücke wird vieles leichter werden, was die deutsch-polnischen Beziehungen betrifft. Am Freitag hatten wir die bautechnische Abnahme des Bauwerkes und nun warten wir darauf, dass zwischen Warschau und Berlin eine offizielle Note unterzeichnet wird, damit die Brücke nach ihrer Einweihung auch offen bleiben kann. Der Termin steht noch aus.

Bei all dem Erfreulichen gibt es gewiss auch Dinge, die zu Ihrem Pflichtprogramm gehören und nicht so leicht zu lösen sind.

Ich will nicht verschweigen, dass der neue Kindergarten ein solcher Kraftakt ist. Der Abstimmungsbedarf ist groß und viele Behörden reden da mit. Aber es gibt auch genügend andere Sachen, die wir selbst lösen müssen. Stichwort ist die Werterhaltung. Bedarf sehen wir für das neue Jahr an den Kindereinrichtungen in Deschka und Zodel, am Mittelschulgebäude, der heutigen Grundschule, fehlt ein zweiter Rettungsweg, und wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie wir mit der Turnhalle in Zodel künftig umgehen. Auf alle Fälle ist es unser Ziel, den Grundschulstandort recht lange zu erhalten.

Ungeklärt im wahrsten Sinn des Wortes ist noch das Abwasser von Klein Krauscha und Kaltwasser.

Hier suchen wir mit dem Abwasserzweckverband Rothenburg weiter nach einer Lösung. Bis März wollen wir ein Abwasserbeseitigungskonzept für diese beiden Ortsteile vorlegen, das aufzeigt, was machbar ist. Denn die Bürger warten darauf, endlich zu erfahren, wie und zu welchen Kosten künftig ihr Abwasser entsorgt wird.

Bei so einem vollen Programm, wie viel Zeit bleibt Ihnen da noch für Ihre Arbeit als Vorsitzender des Verwaltungsverbandes Weißer Schöps-Neiße?

Ich versuche schon die Balance zu schaffen, wobei viele kommunale Themen nicht zu trennen sind. Neißeaue ist Mitglied des Verwaltungsverbandes, und da gibt es viele Berührungspunkte bzw. Effekte für beide Seiten. Hinzu kommt, dass die meisten Termine in der Gemeinde erst nach Feierabend sind. Fakt ist aber auch, dass der Dienstweg zwischen Neißeaue und dem Verwaltungsverband kürzer geworden ist, ich vieles gleich selbst erledigen kann.

Abstriche müssen Sie aber an der Zeit für Ihre Familie machen?

Ja, das ist ein Zugeständnis an den Job. Aber das war uns schon bewusst, bevor ich für das Amt kandidiert habe. Nun müssen wir damit leben und umgehen.

Gespräch: Steffen Gerhardt