Von Andreas Rentsch
Wenn jede Ausstellung mindestens ein aufsehenerregendes Exponat braucht, dann hat es Thomas Kübler jetzt in der Hand. Vorsichtig hält er das Papier in die Kameras der Fotografen. Doch er wundert sich: Eigentlich gäbe es doch viel interessantere Urkunden zu zeigen! Etwa das älteste Dokument seines Hauses, ausgestellt im März 1260, mit einem Wachssiegel von der Größe eines Handtellers. Ein Pfändungsrechtsbrief, mit dem Markgraf Heinrich dem Dresdner Rat erlaubte, verschuldete Adlige festzusetzen. Doch die Aufmerksamkeit gilt einer anderen Urkunde: der am 7. Juli 2004 unterzeichneten Bestätigung, dass das Elbtal nun zum Unesco-Weltkulturerbe zu zählen sei.
Alle reden davon – im Stadtarchiv ist der papierne Zankapfel ab der nächsten Woche zu besichtigen. Und viele weitere Exponate, die Amtsleiter Kübler und seine Mitarbeiter aus dem 18 Kilometer langen Bestand an Akten, Urkunden, Plänen und Büchern herausgefischt haben. Einen Streifzug durch die 800-jährige Geschichte solle die Ausstellung ermöglichen, sagt Kübler. Zu sehen sind Originaldokumente, die sonst niemand in die Hand bekommt – zu wertvoll sind die darauf festgehaltenen Informationen. „Würden wir die Urkunde von 1260 für eine Ausstellung herausgeben, müsste man sie mit 50 000 Euro versichern“, sagt Archivarin Gisela Hoppe.
Eine andere Glasvitrine widmet sich dem stetigen Verfall, gegen den die Restauratoren ankämpfen müssen. Als anschaulichstes Beispiel für „Papiere, die uns hunderttausendfach unter den Händen verschwinden“, hat Mitarbeiterin Birgit Naumann eine tote Maus ausgestellt, die sie 1999 beim Umzug des Archivs in einem Haufen zerbröselter Akten gefunden hat. Um dem Verlust Herr zu werden, werden Unterlagen auf Mikrofilm gebannt. 60 laufende Meter – das sind rund 60 000 Blatt – werden 2006 auf diese Weise für die Nachwelt erhalten. „Wir müssten aber ein Vielfaches davon schaffen, wenn wir die Altbestände und die Menge des neu eintreffenden Materials bewältigen wollten“, sagt Thomas Kübler. Dennoch ist die Situation im zweitgrößten deutschen Stadtarchiv keineswegs dramatisch schlecht – im Gegenteil. Seit dem Umzug ins neue Domizil vor sechs Jahren herrschen gute Arbeitsbedingungen. Auch das soll die Ausstellung zeigen.