Kulturprojekt lässt Wellen hochschlagen

Au Backe! Zu sagen, es habe da gestern zum Beginn der Ideenkonferenz zum Lausitz-Festival in Hoyerswerda Unmut gegeben, wäre eine Beschönigung.
Christian Schramm, Vizepräsident der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und ehemaliger Bautzener Oberbürgermeister, sprach zu Anfang von „emotionalen Wellen“. Und nach den ersten drei Stunden hieß es, es habe eine „erfrischende Diskussion“ stattgefunden. Während im Foyer der Lausitzhalle der Aufbau für den Ostermarkt lief, verloren sich im großen Saal um die hundert Kulturschaffende und Kulturpolitiker, um über etwas zu sprechen, was ein Journalist zuvor „Sturzgeburt“ genannt hatte.
Die Ausgangslage: Unter „Projektförderung“ finden sich im Bundeshaushalt im Budget der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien im Unterpunkt 2.24 vier Millionen Euro für ein Lausitz-Festival (das Reeperbahn-Festival bekommt 6,5 und das Beethovenjubiläum fünf Millionen). Das Konzept stammt von Daniel Kühnel, dem Intendanten der Hamburger Symphoniker, der nach eigenen Angaben schon Festivals in Berlin, Prag sowie Jerusalem und 2015 das Dresdener Kunstfest geleitet hat. In der Lausitzhalle hielt er gestern beinahe eine kulturhistorische Vorlesung über die Bedeutung der Lausitz im geografischen Viereck Berlin – Dresden – Breslau – Prag und seine Ideen, die Region mit Musik und Bildender Kunst „auf die kulturelle Landkarte Europas zu bringen“. Daher steht im Titel zum Lausitz-Festival, das bislang nur einen vorläufigen Arbeits-Namen trägt, auch etwas von „Kernland Europa“. Freilich machten die geladenen Kulturschaffenden aus der Region ziemlich deutlich, dass es hier schon jede Menge Kultur gibt – die um Zuschüsse ringt und überregional kaum wahrgenommen wird.
Vermutlich ist der ganze Ärger zum Teil Ergebnis eines Missverständnisses. Kühnel sowie die Kulturstiftung sagen, außer dem Auftakt mit fünf Konzerten in Hoyerswerda, Zittau, Görlitz und Cunewalde sei noch gar nichts fix, weder der Name, noch die Struktur, noch ein Programm. Eben deswegen sei ja die Ideenkonferenz einberufen worden. Kühnels Gedanke ist, übers Jahr verteilt in der Lausitz unter der noch zu findenden Marke (er schlägt Via Regia- oder Königsweg-Festival vor) verschiedene kulturelle Höhepunkte anzubieten. Im Saal war aber zumindest einer, der der Annahme war, die vier Millionen seien mit den erwähnten fünf Konzerten und der gestrigen Konferenz ausgegeben. Und auch Birgit Weber, Dezernentin im Landratsamt Bautzen, fragte etwas fassungslos nach Eckdaten. Man könnte auch sagen, die Konferenz, die sich nach dem öffentlichen Auftakt in kleinere Arbeitsgruppen aufteilte, hatte zumindest die Chance, die Kommunikation zu verbessern. Eine Frau aus Görlitz zum Beispiel beschwerte sich, dass am heutigen Sonnabend in Zittau im Rahmen des Festivals die Johannes-Passion aufgeführt wird, während der Görlitzer Bach-Chor eine Darbietung mit demselben Stück in zwei Wochen in der Görlitzer Kreuzkirche geplant hat. Und Harald Müller vom Berliner Verlag Theater der Zeit hat den Eindruck, dass seine Bemühungen, sein Konzept für eine Lausitztriennale mit dem Lausitz-Festival in Einklang zu bringen, ohne Erfolg geblieben sind.
So ganz kann das freilich nicht stimmen. Denn noch am Donnerstag hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das Festival mit der Ruhrtriennale verglichen, einem Kunstfestival, dass seit anderthalb Jahrzehnten im Ruhrgebiet stattfindet. Dessen Idee: „Hallen, Kokereien, Maschinenhäuser, Halden und Brachen des Bergbaus und der Stahlindustrie verwandeln sich in beeindruckende Spielorte an den Schnittstellen von Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Performance und Bildender Kunst.“ Es sei, so der sächsische Regierungschef, im Westen Deutschlands gelungen, mithilfe von Kultur einen Wandel in der Wahrnehmung der Region zu erzeugen. Kretschmer findet, dass das ein gutes Beispiel für die Lausitz ist, die sich im Zusammenhang mit dem anstehenden Ausstieg aus der Kohleverstromung ebenso neu definieren müsse. Dass Kultur als Impulsgeber im Wandel durchaus taugt, bestätigte gestern die Hoyerswerdaerin Dorit Baumeister, KulturFabrik-Mitglied, Altstadtmanagerin und Initiatorin zahlreicher Kunstprojekte zur Schrumpfung der Stadt. Sie ermunterte Daniel Kühnel, sich das aus der Nähe anzusehen: „Sie werden hier sehr viel Avantgardistisches und Spannendes finden.“ Und auch der Präsident der Kulturstiftung, Ulf Großmann, früherer Görlitzer Kulturbürgermeister, verwies als Vorbild auf das Ruhrgebiet, das sich 2010 sogar als Europäische Kulturhauptstadt präsentieren durfte – etwas, das Zittau sich für 2025 auf die Fahnen geschrieben hat. Christian Schramm warb gestern um Kooperation. Der Zug Festival möge ohne Zutun der Lausitz losgefahren sein. Aber hier müsse jetzt entschieden werden, wo er hinfahren und wer in den Waggons sitzen solle.