Von Jürgen Müller
Es ist wie immer. Die Radeburgerin sitzt zum siebenten Mal vor Gericht. Wieder ist sie geständig, wieder zeigt sie sich reuig. „Das alles tut mir sehr, sehr leid. Ich habe Familie und Freunde belogen, habe seitdem keine Freunde mehr“, sagt die 32-Jährige, und aus ihren Worten spricht viel Selbstmitleid.
Im September vorigen Jahres hatte sie das Schöffengericht unter Vorsitz des gleichen Richters wie diesmal zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Die verheiratete Frau hatte sich unter anderem mehrfach mit ihrem Liebhaber in Hotels eingemietet, aber die Rechnungen nicht bezahlt. Außerdem betrog sie im Internet. Insgesamt entstand ein Schaden von knapp 11 000 Euro.
Wollte dem Freund imponieren
Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung, wollte die Frau im Gefängnis sehen. Unglaublich: Zwischen Urteil und Berufungsverhandlung betrog die Radeburgerin erneut sechsmal. Sie bestellte im Internet Blumen für über 200 Euro, die sie nicht bezahlte. Zwar gab sie ihre richtige Mail-Adresse an, aber Namen und Wohnanschrift ihrer Mutter. Diese erstattete Anzeige bei der Polizei. Als sie erfuhr, dass die Betrügerin ihre Tochter ist, zog sie die Anzeige zurück und bezahlte das Geld für sie.
Die Staatsanwaltschaft zog übrigens die Berufung zurück, es blieb bei Bewährung. Keine zwei Wochen später buchte die Angeklagte wieder ein Hotel, in dem sie mit ihrem neuen Liebhaber und ihren vier Kindern eine Woche lang wohnte und sich beköstigen ließ. Als es daran ging, die Rechnung von 1 670 Euro zu bezahlen, war die Frau verschwunden.
So wie auch schon 2010 in Düsseldorf. Das dortige Amtsgericht verurteilte sie zu drei Monaten Haft auf Bewährung. Nach dem Meißner Urteil wurde die Bewährung widerrufen. Seit Anfang Juni sitzt die Frau nun im Gefängnis. Ihren Kindern hat sie erzählt, sie sei zur Kur. Mit diesen Kindern bewohnt sie übrigens ein 145 Quadratmeter großes Haus.
„Ich wusste, wie es um mein Konto steht, das Geld reichte gerade noch für die Bahnfahrt. Aber ich wollte meinem neuen Freund imponieren“, sagt die 32-Jährige vor Gericht. Im Gefängnis habe sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt. „Ich weiß heute, dass ich einen großen Fehler gemacht habe“, sagt sie. Eine späte Erkenntnis. Echte Reue sieht anders aus. Im Gegenteil, sie bemitleidet sich noch selbst. Nach der letzten Verurteilung habe sie eine Stelle als Verkäuferin gefunden. Als ihre Chefs von ihren Straftaten erfuhren, sei sie gefeuert worden, jammert sie.
Die Verteidigerin spricht davon, dass schon der Vater der Angeklagten auf großem Fuß gelebt habe. Der habe sich immer Geld von Freunden geborgt und nie zurückgezahlt. Die Angeklagte selbst habe schon als Kind immer im Mittelpunkt stehen und nach außen hin etwas darstellen wollen, was sie nicht ist. Bei früheren Hotelreservierungen legte sich die gelernte Verkäuferin auch mehrfach einen Doktortitel zu, um Seriosität vorzutäuschen. Ihre Mandantin wollte mit ihren oft wechselnden Partnern immer auf einer Stufe stehen, so mit einem Arzt, in den sie sich während eines Krankenhausaufenthaltes verliebte. Für das ungezügelte Geltungsbedürfnis der Angeklagten spricht auch, dass sie sich 2011 als sächsische Weinkönigin bewarb. Damals war sie schon fünfmal wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt worden und stand unter Bewährung.
Die Anwältin möchte, dass ein Gutachter die Angeklagte auf deren Schuldfähigkeit untersucht. Sie leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung, lebe in einer Scheinwelt aus Lügengebilden und Schönreden. Der Richter lehnt ein Gutachten ab. Die Angeklagte sei nicht krank, sondern zeige das typische Verhalten einer Berufsbetrügerin. Sie handele planmäßig und verdränge ihre Taten. Für den Staatsanwalt ist klar, dass es hier keine Geldstrafe und auch keine Bewährung mehr geben kann. „Beim dritten Mal ist Schluss“, sagt er und fordert insgesamt ein Jahr Gefängnis.
Das wird eine lange Kur
Die Verteidigerin plädiert auch ohne Gutachten auf verminderte Schuldfähigkeit. Sie beantragt eine Haftstrafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Als Grund gibt sie auch an, dass die Angeklagte für eine so lange Zeit niemanden habe, der sich um die vier Kinder kümmern könnte.
Das hätte sich die Frau vielleicht mal eher überlegen sollen. Das Gericht verurteilt sie jedenfalls zu einer unbedingten Haftstrafe von acht Monaten. Dabei hat der Richter schon berücksichtigt, dass – falls dieses Urteil rechtskräftig wird – auch die letzte Bewährung widerrufen wird und die Radeburgerin zusätzlich die Strafe von einem Jahr und drei Monaten aus dem letzten Urteil absitzen muss. Das wird dann ein sehr langer Kuraufenthalt.