Von Kay Haufe
Gerhard Burkhard holt die schwarzen Tanzschuhe aus dem Beutel. Die sind blank geputzt, haben einen kleinen Absatz und elastische Sohlen. „Damit kann ich mich vor allem bei lateinamerikanischen Tänzen gut bewegen, ich ziehe sie ausschließlich zum Tanztreff am Donnerstag an“, sagt der 69-Jährige. Die anderen neun Seniorenpaare warten schon auf ihn und seine Frau Ulla. Schließlich muss die Fledermaus-Quadrille noch einmal geprobt werden, damit sie zum Jubiläumsball am Sonnabend perfekt klappt.
Perfekte Bewegungen
Ines Graf bittet die Paare auf die Tanzfläche, jeweils fünf stehen sich gegenüber. Die Damen und Herren, alle über 60 Jahre alt, gehen im Halbkreis aneinander vorbei, laufen mit zusammengepressten Händen im Kreis, im Zick-Zack und stampfen mit den Füßen auf. „Kurz, kurz und drehen“, ruft Ines Graf. Die Bewegungen sind perfekt einstudiert.
Doch Rainer Graf ist unzufrieden. „Sie bilden keine gerade Linie, schauen Sie beim Tanz mal zu den Nachbarn“, rät er. Erneut wird geübt. „Deutlich besser“, lobt der Chef. Diesmal ist er zufrieden und gönnt den Paaren eine Pause.
Pudeldame Bine schaut auf ihrer Decke dem Treiben interessiert zu. Seit sechs Jahren begleitet sie Ingetraut und Olaf Kubsch jeden Donnerstag zum Tanzen. „Uns tut die Bewegung gut“, sagt Ingetraut Kubsch. „Die Grafs sorgen für eine angenehme Atmosphäre und jedes Mal lernen wir neue Schrittfolgen“, sagt die 70-Jährige. Sie liebt besonders langsame und Wiener Walzer. Außerdem genießt sie es, dass in der Tanzschule gute Manieren und passende Kleidung geschätzt werden. „Natürlich legen wir darauf großen Wert“, sagt Rainer Graf. Der 62-Jährige weiß allerdings, dass er bei Schülern in der Tanzstunde mit Vorgaben zur Kleidung nicht mehr gut ankommt. „Junge Frauen mögen offenbar keine Röcke mehr. Ich bin schon froh, wenn sie in langen Hosen kommen“, sagt er. Was die Begeisterung für den Tanz angeht, habe sich in den fünfzig Jahren, in denen die Tanzschule besteht, wenig geändert. „Klar tanzen die Jungen heute wie die Stars aus dem Videoclip. Aber mit kurz über 20 entdecken die meisten, dass man mit einer Rumba oder einem Jive den Partner sehr beeindrucken kann. Und das wollen sie auch richtig lernen“, sagt Graf. Alter spiele dabei keine Rolle. Er blickt zu den Senioren, die gerade einen Tango tanzen. Elegant führt Gerhard Burkhard seine Frau übers Parkett, beide haben den Beinschwung perfekt drauf und neigen die Köpfe nach hinten.
Neueste Trends kennen
Rainer Graf schaut den Paaren zufrieden zu. Er hat mit fünf Jahren angefangen, seine Eltern Elfriede und Werner nachzuahmen, beide berühmte Tanzlehrer. Später wurde Graf elfmaliger DDR-Meister. Generationen Dresdner Schüler haben bei ihm die Grundlagen der Standard- und Lateintänze kennengelernt.
Berühmt-berüchtigt waren die Abschlussbälle im Parkhotel. „Heute muss man sehr flexibel auf die Bedürfnisse der Leute eingehen und immer die neusten Trends kennen, sonst ist man weg vom Fenster“, sagt der Tanzprofi.
Wie gut er und die von ihm betreuten Tänzer sind, werden sie am Sonnabend im Ballhaus Watzke beweisen. Anlässlich 50 Jahre Tanzschule gibt es eine große Show, zu der auch Elfriede Graf erwartet wird. Am Sonntag lädt die Tanzschule Graf auf der Leisniger Straße 53 ab 14.30 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Dabei wird alles zu sehen sein, was in 50 Jahren auf der Tanzfläche aktuell war.