Von Doreen Lehmann
Sie sind Männertraum und Traumfrauen. Auf der Bühne femmes fatales und im richtigen Leben nette Schulmädchen. Uns sie dürfen einfach nicht fehlen auf den Dorffesten dieser Welt: ihre kokett gelüpften Röckchen und schwungvoll geworfenen Beine. Ihr Name: Aerobictanzgruppen. Großenhain hat wirklich einen beneidenswerten Fundus an tanzenden Grazien. „Girls Only“ und „Dance Act“ heißen die Formationen des Werner-von-Siemens-Gymnasiums. Keine Profis und trotzdem klasse. Wo ihr wippender Reif, da ein verzücktes Rudel Menschen.
„Früher“, muss Elke Winkler, Trainerin der „Dance Act“-Mädchen lachen, „hieß das ja noch Popgymnastik“. Klingt eher hausbacken nach Hausfrauen-Leibesertüchtigung. Heute stecken ihre Tänzerinnen in roten Lederminis und silbernen Lackhosen. Tanzen den „Kommissar“ oder „La cucaracha“. „1991 habe ich mit einer Rock`n`Roll-Tanzgruppe angefangen“, erzählt die Sportlehrerin von den Anfängen. Damals mischten auch noch einige stramme Männerwaden mit. Nach etlichen Weiterbildungen wurde es dann schließlich die „Aerobictanzgruppe des Gymnasiums Großenhain“.
Der allgemeine Name führte allerdings zu einigen Missverständnissen, schließlich gab es da noch eine im Haus. Wenn bei der Schulsekretärin jemand anrief und die Mädels buchen wollte, schnappte diese sich einfach eine der beiden Sportlehrerinnen, und zwar die, die ihr am ehesten über den Weg lief. Ein Zustand, der anfangs das Verhältnis zwischen den Lehrerinnen ein wenig abkühlte. Aber das ist gegessen. Statt Futterneid arbeiten die Gruppen jetzt freundschaftlich zusammen.
Seit sieben Jahren mittlerweile heißen die Sprungwunder von Christine Lotzmann „Girls Only“. Reine Frauenwirtschaft eben. Der Name prangte einst bei einem Auftritt auf ihren T-Shirts, ein Werbegeschenk der Kosmetikfirma „Wella“. Das passte. Was mit purem Jazz-Tanz anfing, hat mittlerweile eine Bandbreite von Hip Hop bis Latino. „Unser Klassiker ist natürlich der Cancan, den wollen die Leute immer wieder sehen“, freut sich Christine Lotzmann. Freitags ab Fünf ist sie für 22 Elevinnen gestrenge Trainerin, Freundin, Choreographin, Animateur und „Quatschliesen-Bändiger“ in einem. Mädchen haben sich ja immer viel zu erzählen und auch mal nicht so große Lust auf Training.
Doch zwei Tänze pro Jahr müssen einstudiert werden. Also heißt es zweieinhalb Stunden lang: Haltungstraining, Schritte lernen, Fitness trimmen und vor allem eines: Lächeln nicht vergessen! „Das fällt ihnen am schwersten“, seufzen beide Lehrerinnen kurz auf. Dabei soll es doch unangestrengt und gut gelaunt wirken, die Illusion von der Leichtigkeit des Seins eben.
Die „Alten“ in der Gruppe, die Zwölftklässler, sind für die Jüngsten im Bunde natürlich immer ein Vorbild. In die erste Reihe muss sich erst mal durch Fleiß und Disziplin getanzt werden. Das Riesentalent Lysann Hintersatz, einst Großenhainer Abiturientin, ist choreographisch zur rechten Hand von Christine Lotzmann geworden. Zur heutigen Volleyballnacht in der Rödertalsporthalle wird ihr neuer Latino-Tanz den ersten Testlauf wagen. Rassige Hüftschwünge à la Shakira werden ihre Wirkung sicherlich nicht verfehlen.
Mit frivolen Johlern aus dem Publikum wie „Ausziehen!“ können die „Girls only“ schon längst gelassen umgehen. Nebenbei feiern sie am Sonnabend ihr „Zehnjähriges“. Wie es sich gehört mit Cocktails, Büfett und Frauengeschnatter.
Auch die „Dance Act“-Mädchen haben so ihre launigen Traditionen: Sommergrillen, Weihnachtsfeiern, „Treffen der Alten“. Dann wird ihr Trainingsdomizil, der Fitnessclub im Stadtpark, mal links liegen gelassen, Pizza gemampft und über legendäre Patzer gelacht.
So wie der verkorkste Auftritt auf dem Kupferberg damals, als von drei Mädchen immer eines aus der Reihe tanzte. Blackout auf der ganzen Linie: sämtliche Tanzschritte vergessen und drauflos improvisiert. Aber so charmant, dass es gar keiner bemerkt hat. Das Lachen fiel ihnen an jenem Tag nicht schwer, eher mussten sie der Versuchung widerstehen, plötzlich loszuprusten. Ansonsten sind die „Dance Act“- Mädchen aber völlig diszipliniert, räumten erfolgreich bei Tanzwettbewerben und Landesausscheiden ab, begeisterten beim diesjährigen Turn- und Sportfest in Leipzig und wurden sogar schon mal vom Kultusminister persönlich zu einem Auftritt ins „Hilton“ eingeladen. Na, wenn das nichts ist.
Aber noch lieber als ein Saal voll steifer Beamter ist ihnen ein stimmungsfreudiges Dorffestpublikum. Die geh´n mit und machen den Tänzerinnen schon mal wonnige Komplimente. Ach, das lieben die Frauen nun mal. Lustige Anekdötchen gibt es immer. Eine Tänzerin von Christine Lotzmann hat mal im Überschwang das Ausmaß der Bühne überschätzt und krachte von selbiger. Nix passiert, the show must go on. Und so eine fiese Laufmasche kurz vorm Auftritt bringt auch keinen mehr aus dem Konzept.
Finanziell können die Tanzgruppen zwar nicht so große Sprünge wie auf der Bühne machen, aber die Einnahmen bei Auftritten reichen irgendwie aus. Das Trainingslager findet eben preiswert in Walda oder Strehla statt, und Kleidung wird teilweise selbst genäht. Wobei die zwei Lehrerinnen schon Stunden die Nähmaschine rattern ließen, und es fand sich auch mal eine liebe Omi mit Nähambitionen. Oder die Damen gehen in Modehäusern stöbern. Ganz schön schwierig meist bei so einem eitlen Weiberhaufen, da zickt die Eine, nörgelt die Andere.
Aber irgendwann stehen sie alle sexy im Einheitsdress auf der Bühne: der Moment, für den sich die Strapazen dann gelohnt haben. Meist acht Mädchen sind für einen Tanz vorgesehen, da bleibt für einige natürlich nur die Ersatzbank. „Aber da muss man auch mal knallhart sein und sagen: Du kannst noch nicht mitmachen, du bist noch nicht gut genug“, ist Elke Winkler sehr ehrlich mit ihrem Nachwuchs.
Aber der kann tapfer wegstecken, übt die Positionen der Großen mit und ist vielleicht beim nächsten Mal dabei. Oder beim übernächsten. Denn den Cancan wollen die Leute auch beim nächsten Dorffest wieder sehen, und beim übernächsten. Solange die Röcke nur kokett genug gelüpft werden.