Verurteilung auch ohne Tresor-Diebstahl

Im Moment der Urteilsverkündung erstarrte der 39-jährige Nieskyer Angeklagte im Lawalder Tresor-Diebstahl-Prozess. Sein Anwalt Florian Berthold, der Freispruch gefordert hatte, runzelte die Stirn. Das Landgericht unter Vorsitz von Richter Thomas Fresemann verurteilte den Nieskyer Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und ging damit sogar über die Forderung des Staatsanwalts. Die beiden polnischen Mitangeklagten (52 und 38 Jahre), die wegen anderen Straftaten bereits für mehrere Jahre im Gefängnis sind, erhielten eine moderate Erhöhung ihrer bisherigen Strafen.
Zentrale Frage dieses Strafverfahrens war, ob die Aussagen der beiden polnischen Angeklagten und die des Geschädigten der Wahrheit entsprechen oder ob die Behauptung des deutschen Angeklagten aus Niesky stimmt, das alles sei ein riesengroßes Komplott. Immerhin hatte das Gericht ja schon den spektakulärsten Anklagepunkt fallen gelassen - den des Diebstahls von 118.000 Euro aus einem Tresor der geschädigten Firma aus Lawalde im Oktober 2016. Zu groß waren dem Gericht die Unstimmigkeiten.
Es gab keine Einbruchsspuren, der bestohlene Firmenchef hatte den Diebstahl erst gar nicht und Monate später nur in einer Höhe von 10.000 Euro angegeben. Letztlich stand in Frage, ob der Diebstahl dieses Bargeldes überhaupt stattgefunden hatte. In diesem Fall hatte sich das Gericht also auf die Seite des Nieskyer Angeklagten gestellt und letztlich den Zeugenaussagen des Geschädigten nicht sicher genug geglaubt.
Anders verhielt es sich mit den Anklagepunkten betreffend eines Diebstahls von Laptop, i-Pad sowie einem wertvollen Analysegerät aus einem auf dem Privatgrundstück des geschädigten abgestellten VW Touareg im Dezember 2016 und dem Klau von insgesamt 520 kg Monolith-Granulat (Gesamtwert 25.000 bis 30.000 Euro) an fünf aufeinanderfolgenden Tagen im Januar 2017. Hier hatten die Polen gestanden, es gab nicht zuletzt wegen der Aufzeichnungen von Sicherheitskameras keinen Zweifel daran, dass einer der beiden Polen die Diebstähle durchgeführt hatte. Der andere hatte gestanden, als Fahrer vor Ort gewesen und Verbindungsmann zum Nieskyer gewesen zu sein. Aber stimmt Letzteres?
Verteidiger Florian Berthold trug in seinem Plädoyers die Theorie eines Komplotts gegen den Nieskyer Angeklagten vor, der so sagt es der Angeklagte selbst, durch dieses Komplott in der zweifelhaften Schrott- und Katalysatorenbranche mundtot gemacht werden soll. Die Behauptung: Der geschädigte Lawalder Firmeninhaber habe mit den beiden Polen unter einer Decke gesteckt. Das Insiderwissen (Was ist Monolith und wie mache ich es zu Geld?
Wann ist der Firmeninhaber nicht da?) als wesentlicher Punkt der Beweisführung gegen den Nieskyer Angeklagten habe natürlich auch der Lawalder Firmeninhaber gehabt. Anhaltspunkte für diese Komplotttheorie seien jene unsägliche Geschichte mit dem Bargeld aus dem Tresor, ein vor Gericht zugegebenes Treffen des geschädigten mit den beiden polnischen Angeklagten bei einem "Geschäftsfreund" in Rumänien, die zweifelhafte Geschichte, dass der Geschädigte eine halbe Tonne Monolith aus einem besser gesicherten Lager mit viel Aufwand in den Keller der Firma geschafft hatte, wo es dann relativ leicht gestohlen werden konnte.
Anwalt fordert Bewährungsstrafe
Außerdem merkte Verteidiger Berthold an, dass die freizügigen Aussagen der beiden polnischen "Berufskriminellen" ohne großen eigenen Vorteil völlig untypisch und damit nicht unbedingt glaubwürdig seien. Zumindest der eine der beiden angeklagten Polen scheint tatsächlich keine kleine Nummer zu sein. Der 52-Jährige gab an, nach seinem Abitur in Polen mehrere Geschäfte besessen und 100 Millionen Euro Schulden zu haben. Im Internet finden sich Anzeichen dafür, dass er in den Milliardenbetrug einer polnischen Geldanlagefirma verwickelt sein könnte. Auf der anderen Seite sei die Beweislage gegen seinen Mandanten dünn, basiere fast ausschließlich auf den in Zweifel zu ziehenden Angaben der beiden Polen und nachgewiesenen Telefonkontakten, die aber genauso gut zum Komplott gehören könnten.
Wegen der erheblichen Zweifel an der Schuld seines Unschuld beteuernden Mandanten forderte Berthold Freispruch. Und falls es doch zu einer Verurteilung kommen sollte, eine Bewährungsstrafe. Schließlich liegen die vorgeworfenen Taten schon über vier Jahre zurück, sei der tatsächlich entstandene Schaden nebulös und lebe der Angeklagte ein ganz normales Leben im Angestelltenverhältnis und mit Familienstruktur.
Gericht glaubt Angeklagten nicht
Das Gericht aber folgte dem Verteidiger nicht. Richter Fresemann würdigte die Aufklärungshilfe der beiden Polen bei diesen Straftaten, das konstante Aussageverhalten der beiden polnischen Angeklagten seit der Erstvernehmung vor drei Jahren und den Detailreichtum der Aussagen. Er zog in Zweifel, ob sich die beiden Angeklagten das alles ausdenken könnten. Dazu kämen jene Telefonkontakte zwischen dem Nieskyer und dem einen Polen im Tatzeitraum. Kurzum: Das Gericht glaubte den beiden Polen in vollem Umfang, dem Nieskyer Angeklagten dagegen kein Wort.
Dass der Nieskyer mit seinem Verteidiger in Revision gehen wird, war noch während der Verhandlung klar. Die Chancen, die Beweiswürdigung des Landgerichts vor dem Bundesgerichtshof anzugreifen, sind erfahrungsgemäß allerdings gering. Dort wird das Urteil eher auf vom Antragsteller gerügte Rechtsfehler hin überprüft.
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