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Landkreis bekennt sich zu dunklem Klinik-Kapitel

Der Kreistag hat beschlossen, die Erinnerung an die Tötung Behinderter in Großschweidnitz zu unterstützen.

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Von Sebastian Beutler

Großschweidnitz/Görlitz. Der Landkreis wird Mitglied im Verein Gedenkstätte Großschweidnitz. Das hat der Kreistag am Mittwoch beschlossen. Lediglich die drei Kreisräte der rechtsextremen NPD stellten sich gegen den Beschluss und stimmten mit Nein. Andreas Storr von der NPD sieht in dem Beitritt einen weiteren Schritt hin zu einem „ideologisierten Rechtsstaat“. Nach seinem Verständnis zeichne sich ein demokratischer Rechtsstaat aber gerade durch ein neutrales Verhalten aus. Der Kreis würde durch seinen Beitritt aber einem einseitigen Geschichtsbild Rechnung tragen.

Für die große Mehrheit des Kreistages lehnten Landrat Bernd Lange und SPD-Kreisrat Bernhard Wachtarz diese Haltung ab. Lange sieht in der Mitgliedschaft vielmehr ein Signal dafür, dass im Kreis eben kein Verbrechen verdrängt oder geleugnet wird. Für ihn stehe es fest, dass wir „zur Erinnerung verpflichtet sind. Indem der Kreistag als Ganzes und nicht einzelne Parteien dieses Gedenken begleiten, ideologisieren wir gerade nicht“. Und der frühere Görlitzer Amtsarzt Dr. Bernhard Wachtarz zeigte sich dankbar dafür, dass in Großschweidnitz die Geschichte aufgearbeitet werde. Er habe in den zurückliegenden Jahren auf dem Sonnenstein in Pirna immer wieder über die Tötung Behinderter im Dritten Reich gehört und dabei gehofft, dass auch in Großschweidnitz diesem Teil der Geschichte gedacht wird.

Die Heil- und Pflegeanstalt in Großschweidnitz wurde zwischen Juli 1940 und August 1941 Sammelstation für Transporte in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. In 30 Transporten wurden 2 445 geistig Behinderte und psychisch Kranke von Großschweidnitz nach Sonnenstein verlegt und ermordet. Zudem wurden in Großschweidnitz selbst mehr als 5 000 Menschen getötet – durch Medikamente, Mangelernährung und Vernachlässigung. Auch 270 kranke oder fehlgebildete Kinder kamen in Großschweidnitz um.

Pathologie als Ort der Erinnerung

An diese Euthanasien wurde in Großschweidnitz jahrelang nicht erinnert, sie waren schlichtweg kein Thema. Nun widmet sich der Verein „Gedenkstätte Großschweidnitz“ darum, der sich 2012 gebildet hat. Er will in der früheren Pathologie des Krankenhauses einen Ort der Erinnerung einrichten. Vorträge, Ausstellungen und Führungen gehören genauso dazu wie eine Bibliothek. Die entstehende Gedenkstätte wurde im Herbst vergangenen Jahres in das neue sächsische Gedenkstättengesetz aufgenommen.