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Landwirte machen Edelfleisch bezahlbar

Ein Erlauer gründet Sachsens erste Genießergenossenschaft. Die Dividende wird in Fleisch ausgezahlt.

Von Maria Fricke
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Tierärztin Jenny Knabe promoviert an der Universität Leipzig. Sie hat 2018 im Rahmen ihrer vorbereitenden Promotionsarbeit Duroc-Schweine der Agrarset AG Erlau untersucht, die speziell gefüttert und gehalten werden.
Tierärztin Jenny Knabe promoviert an der Universität Leipzig. Sie hat 2018 im Rahmen ihrer vorbereitenden Promotionsarbeit Duroc-Schweine der Agrarset AG Erlau untersucht, die speziell gefüttert und gehalten werden. © Jan Gumpert/Agrarset AG

Region Döbeln. Duroc-Schweine sind edle Tiere. Ihr Fleisch gilt als Premiumprodukt. Doch das hat seinen Preis. Vor allem, wenn die Tiere auch noch artgerecht gehalten werden. Dafür aber wollen oder können manche Verbraucher nicht immer bezahlen. Landwirt Jan Gumpert will das ändern. Seine Lösung: eine Genießergenossenschaft.

 Mit dieser soll die regionale, artgerechte Haltung der besonderen Schweine in einem neu gebauten Stall ermöglicht werden. Notwendig sind dafür zwei Millionen Euro. Das Geld soll durch die Anteile der Genossenschafter zusammenkommen.

 Wer sich an dem Experiment beteiligen will, muss mindestens 1.000 Euro investieren. So viel kostet ein Anteil an der Genossenschaft, die am Freitag in Mittweida gegründet worden ist. Insgesamt 2.000 Anteile sind notwendig, um den Stall bauen und die ersten Ferkel aufziehen zu können.

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Sobald die Summe komplett ist, kann der Bauantrag für den Stall eingereicht werden. Gumpert geht davon aus, dass in 24 Monaten das erste Fleisch der Genießergenossenschaft zur Verfügung steht. 

Nach neun Monaten sollte die Baugenehmigung vorliegen, nach weiteren neun Monaten der Stall stehen. Der ist mit einer Kapazität von 1.490 Plätzen geplant. Errichtet wird die Anlage voraussichtlich in Naundorf, dem Hauptsitz der Agrargenossenschaft Agrarset AG, dessen Vorsitzender Jan Gumpert ist. 

Von dort kommen auch die Ferkel, die für den neuen Stall vorgesehen sind. Knapp 3.000 pro Jahr wird Agrarset der Genossenschaft zur Verfügung stellen.

Diese ist zugleich auch Eigentümer des neuen Stalls, der von Agrarset gepachtet werden soll. In dem Stall sollen die Tiere ausreichend Platz bekommen sowie ein Tiefstreubett aus Stroh. „Die Haltung der Tiere geht weiter über die gesetzlichen Vorgaben hinaus“, betont Gumpert. 

Zur artgerechten Haltung gehört auch die Fütterung mit natürlichem Futter aus Sachsen. So bekommen die Schweine Weizen, Gerste, Erbsen und Leinsamenschrot zu fressen. Letzteres kaufe die Agrarset derzeit noch zu, das Schrot soll aber perspektivisch selbst produziert werden, sagt Michael Hörig von der Agrarset AG. 

Auch dürfen die Tiere ihre Schwänze behalten. Die werden sonst meist in den ersten Tagen nach der Geburt abgetrennt. Da die Aufzucht, Mast und Schlachtung der Tiere in der Region erfolgt, müssen die Schweine keine langen Tiertransporte erleiden.

Langsam und gesund aufwachsen

Nicht nur die artgerechte und regionale Haltung der Tiere soll das Fleisch der Schweine zu etwas Besonderem für die Verbraucher machen. Das Fleisch der Rasse an sich weise laut Gumpert einen überdurchschnittlichen Anteil intramuskulären Fettes auf. „Und Fett ist Geschmacksträger“, sagt der Landwirt.

 Der Geschmack verbessere sich, wenn die Tiere langsam wachsen können. Und das sollen sie in Naundorf können. Statt rund drei Monaten Mastzeit wird den Tieren in der Genießergenossenschaft ein halbes Jahr Zeit gegeben. 

Dadurch kommen die Tiere auch mit mehr Gewicht in den Schlachtbetrieb. Statt um die 90 Kilogramm Schlachtgewicht, bringen sie rund 120 bis 130 Kilo auf die Waage. 

Werden die Tiere noch besonders gefüttert, dann steige der Anteil an Omega-3-Fettsäuren. „Omega-3-Fettsäuren senken das Risiko für schwere Krankheiten“, sagt Gumpert. Mit Duroc-Schweinen kennt sich der Landwirt bereits aus. Bei der Agrarset AG werden die Sauen einer dänischen Rasse mit Duroc-Ebern gepaart. Diese Rasse kommt ursprünglich aus den USA.

Doch nicht nur die Produktion der Tiere soll regional erfolgen, sondern auch die Verarbeitung. Traditionelle Handwerker aus der Region sollen hier zum Einsatz kommen, sagt Gumpert. 

Auch das Schlachten soll artgerechter als bei der konventionellen Haltung erfolgen. Wo dies geschieht, wird zurzeit noch diskutiert. In Sachsen gibt es aktuell laut Gumpert nur noch einen Schlachtbetrieb in Belgern. Genutzt werde auch ein Betrieb im bayrischen Hof.

 Die Agrarset sei mit einem mittelständischen Fleischer auf der Suche nach einer Lösung. Denkbar sei die Erweiterung von bestehenden kleineren Betrieben sowie ein Neubau zwischen Chemnitz und Stollberg. Gumpert rechnet damit, dass sich diesbezüglich in den nächsten zwei Jahren eine Lösung finden wird.

Vertrieben werden soll das Fleisch der Genossenschaft später einmal über den Onlineverkauf sowie bei regionalen Lebensmittelerzeugern. Einen Teil der Produktion erhalten die Mitglieder der Genossenschaft, die auch Einfluss auf die Produktion nehmen können, als garantierte jährliche Dividende.

 „In Form von einem Kilo Fleisch oder Würsten des selbst erzeugten Duroc-Schweines“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Agrarset AG. „Das entspricht einer Dividende in Höhe von 1,8 Prozent“, sagt Gumpert.

Somit rechnet Gumpert für das Edelfleisch im Schnitt mit einem Preis von 16 bis 18 Euro. Sollte die Genossenschaft Überschüsse erwirtschaften, dann könne die Vertreterversammlung auch einen höheren Gewinnanteil beschließen.

Finden sich doch nicht genügend Mitglieder für die Genossenschaft, so wird der wirtschaftliche Start nicht vollzogen. In dem Fall werden auch keine Anteile eingezogen. 

„Erst wenn das Volumen da ist, wird die Genossenschaft eingetragen. Wenn das nicht funktioniert, erhalten die Mitglieder ihr Geld zurück“, informierte Michael Schlagenhaufer, Vorstand der VR-Bank Mittweida.

 Innovativ ist die Idee in jedem Fall. Von einer vergleichbaren Genossenschaft habe Marco Schulz vom Vorstand des Genossenschaftsverbandes eG noch nichts gehört, sagt er. Doch nicht nur Schulz kann sich vorstellen, dass das Modell deutschlandweit Nachahmer findet.

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