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Lauban putzte der Welt die Nase

Seit 1996 ist die SZ jenseits der Neiße unterwegs. Das Interesse der Leser an diesen Beiträgen ist ungebrochen groß, wie die zahlreiche Post beweist. SZ unterwegs – das bedeutet ein Wiedersehen mit einem...

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Von Hans Schulz

Seit 1996 ist die SZ jenseits der Neiße unterwegs. Das Interesse der Leser an diesen Beiträgen ist ungebrochen groß, wie die zahlreiche Post beweist. SZ unterwegs – das bedeutet ein Wiedersehen mit einem für manche unvergessenen Land, Spurensuche in der Heimat, aber auch die Entdeckung eines alten, neuen Nachbarn.

Über Zeit und Art der Entstehung der 22 Kilometer östlich von Görlitz, am linken Queisufer im Isergebirgsvorland gelegenen Stadt unserer heutigen Stippvisite, liegen keine zuverlässigen Angaben vor. Es ist aber sicher, dass Lauban um 1220 als fester Grenzort zwischen der Oberlausitz und Schlesien und als Mittelpunkt deutscher Waldhufendörfer nach Magdeburger Stadtrecht gegründet wurde.

Wie die gesamte Oberlausitz hat auch diese Stadt die verschiedensten Herrscher erlebt: zunächst böhmisch, 1253 zu Brandenburg, 1337 mit Jauer unter böhmischer Lehnshoheit, 1526 mit Böhmen an Habsburg, 1635 zur Kursachsen, 1815 zu Preußen (Schlesien). Der Ort überstand die Hussitenkriege, den Dreißigjährigen Krieg und den Siebenjährigen Krieg. Die günstige Lage an wichtigen Handelsstraßen zwischen Sachsen, Böhmen und Schlesien brachten der Stadt wirtschaftlichen Aufschwung. Aus der Tuchmacherei und Leineweberei des 16. Jahrhunderts entwickelte sich im 19. Jahrhundert die weltweite Herstellung von täglich rund 400 000 Taschentüchern. 85 bis 95 Prozent aller deutschen Taschentücher wurden hier produziert. Lauban war damit die bedeutendste Taschentuchstadt Deutschlands, und nicht ohne Stolz stellten die Einwohner fest: „Wir putzen der ganzen Welt die Nase“.

Als Zulieferer der Taschentuchindustrie entstanden Kartonage- und Etikettenfabriken, außerdem andere bedeutende Industriebetriebe. Die Einwohnerzahl wuchs mit der Wirtschaft. Die Stadt wurde an das Gas- und Kanalisationsnetz angeschlossen, der Marktplatz gepflastert. 1865 erfolgte die Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke nach Görlitz, ein Jahr später nach Hirschberg. In den Vororten entstanden Villen, Mietshäuser, Fabriken und öffentliche Platzanlagen.

Dieser enorme wirtschaftliche Aufschwung wurde durch die Kämpfe am Ende des Zweiten Weltkrieges (Februar/März 1945) jäh unterbrochen, die Altstadt zu etwa 60 Prozent zerstört, dabei 1 858 Gebäude vernichtet. Dank des Engagements der Bürger wurde im heutigen Luban vieles wieder auf- und neugebaut, so dass den aufmerksamen Touristen sich ein interessantes Miteinander von Traditionellem und Modernem präsentiert. Treffend formuliert es Dr. Bozena Adamczyk-Pogorzelec, die Direktorin des Museums:

„Es gibt jetzt hier wieder viele Plätze und Gebäude, die es wert sind, um besucht, kennen gelernt, gesehen zu werden, oder an die man sich erinnern sollte. Es ist schon viel geschaffen worden, aber es gibt auch noch eine Menge zu tun. Die Wiederbelebung des Sechsstädtebundes und die Mitgliedschaft in der Euroregion Neiße setzen neue Akzente. Besonders auf den Wiederaufbau der Altstadt möchte ich verweisen. Sie litt nicht nur durch den Krieg, sondern auch unter der Politik der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts. An Stelle alter Gemäuer entstanden unpassende Wohnblöcke.“

Das Zentrum Lubans verlor völlig seinen Altstadtcharakter. Seit Inkrafttreten eines Sanierungsplanes 1992 sind über 60 Häuser aufgebaut worden. „Durch diese Rekonstruktionen haben wir die Altstadt wieder gewonnen“, freute sich die Museumsdirektorin. (wird fortgesetzt)