War Olympia der Auslöser für Dahlmeiers Rücktritt?

Von Sandra Degenhardt und Volker Gundrum
Vielleicht würde Laura Dahlmeier noch immer als Biathletin ihr Glück finden, wenn die nächsten Winterspiele nicht nach Peking vergeben worden wären. „Wenn Olympia in Cortina oder irgendwo bei uns in der Alpenregion gewesen wäre, dann hätte ich mir das sicherlich noch mal genauer überlegt. Es hätte die Entscheidung deutlich schwerer gemacht“, sagt die zweimalige Olympiasiegerin.
Vor einem Jahr, am 17. Mai 2019, hatte die siebenmalige Weltmeisterin mit gerade mal 25 Jahren ihren Rücktritt vom Leistungssport bekannt gegeben. „Ich würde es nicht nur darauf schieben, aber es beeinflusst eine Entscheidung dann doch“, meinte sie. Natürlich gab es auch noch viele andere Gründe für das frühe Karriereende. Doch irgendwie scheinen die großen Damen im deutschen Biathlon mit Olympia nicht glücklich geworden zu sein. Denn genau wie Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner hat sich auch Dahlmeier bei Olympia einen Kindheitstraum erfüllt und zweimal Gold gewonnen, aber auch viele negative Erinnerungen gesammelt.
„Ich bin jetzt nicht so ein Mensch, der immer nur die Schuld bei anderen sucht. Aber man muss schon hinterfragen, ob man nicht den Sportlern einfach ein bisschen mehr Genuss lassen sollte. Im Endeffekt bist du irgendwie auch eine Marionette, die funktionieren muss. Als ich in meiner Kindheit Olympia angeschaut habe, dachte ich, das muss toll sein, wenn man da dabei ist“, beschrieb die mittlerweile 33-jährige Neuner ihre Erfahrungen.
Das Sportstudium findet jetzt im Homeoffice statt
Dahlmeier sagt: „Olympia ist das Größte, wenn man es von außen betrachtet. Ich habe immer diesen Traum gehabt, und ich bin extrem dankbar, dass es geklappt hat. Aber Olympia ist ganz anders, als man es sich vorstellt. Irgendwie so unecht.“ Es wäre spannend, eine Podiumsdiskussion mit IOC-Chef Thomas Bach auf der einen und den beiden Biathlon-Expertinnen von ARD und ZDF auf der anderen Seite zu erleben.
Überraschend schnell hatte Dahlmeier im vergangenen Winter beim ZDF angeheuert und war zur TV-Kollegin von ARD-Expertin Neuner geworden. Ein Jahr nach ihrem Karriereende arbeitet Dahlmeier in Zeiten der Corona-Krise im Homeoffice für ihr Sportstudium, der Leistungssport spielt keine Rolle mehr: „Jetzt habe ich keinen Druck mehr - und genieße das gerade extrem“, sagt sie.

In der Studentenbude wäre es härter
Wie bei allen anderen bestimmt die Corona-Krise auch ihr Leben. Prinzipiell kein allzu großes Problem für die junge Bayerin. Strenge Hygieneregeln sind für Athleten ohnehin üblich. Anders war es bei den Ausgangsbeschränkungen. Sie brauchte ein paar Tage, um das zu akzeptieren. „Ich dachte: Ist das real, oder wache ich morgens auf und denke, das war alles nur ein Scherz“, erzählt Dahlmeier.
Gerade jetzt ist ihre Heimat Garmisch-Partenkirchen das „Paradies“. Joggen im Wald, raus in die Berge. „Wenn ich jetzt die ganze Zeit in meiner kleinen Studentenbude in München gewesen wäre, wäre die Zeit um einiges härter gewesen“, gibt Deutschlands „Sportlerin des Jahres“ von 2017 zu.

Neue Solidarität, stärkerer Zusammenhalt
Dahlmeier erlebt wie viele andere auch in der Krise eine neue Solidarität, einen stärkeren Zusammenhalt in der Bevölkerung und der Familie. Sie hofft, dass von der Entschleunigung auch in Zukunft etwas bleibt. „Ich würde mir wünschen, dass wir das mit in die Zeit danach nehmen, dass weniger manchmal mehr ist. Nicht, dass es gleich wieder heißt, jeder ballert sich wieder mit Terminen voll und hetzt von einem zum nächsten.“
Sie weiß, dass der Sport weiter ihr Leben bestimmen wird. Und sie vertraut darauf, dass sich das Richtige zur richtigen Zeit ergibt. Vielleicht als erste deutsche Bundestrainerin? „Nein, nein. Ich kann ausschließen, dass ich sofort als Trainerin im Biathlon-Zirkus einsteige“, sagt Dahlmeier lachend: „Aber wie heißt es so schön: Sag niemals nie.“ (dpa)