Von Sabrina Winter
Emilia ist fast sechs Monate alt. Sie liegt auf der Couch und plappert vor sich hin, keine richtigen Wörter, erste Babylaute eben. Linda Martens beugt sich über sie und streichelt den Bauch ihrer Tochter. Normale Situation, normale Familie. Nur eines ist anders: Emilia hat zwei Mütter. Linda lebt mit ihrer Frau Anne Martens zusammen. Seit fast einem Jahr sind die beiden verpartnert, damals war Emilia schon unterwegs.
Ihre Tochter haben sie dank eines Samenspenders, den sie im Internet gefunden haben. Ein Treffen in einem Hotel, Befruchtung per Bechermethode, Linda wurde schwanger. „Zum Glück hat es beim ersten Mal geklappt“, sagt sie. Linda ist 21 Jahre alt, selbstbewusst, und weiß, wo sie hin will. Nachdem sie in Görlitz ihr Abitur gemacht hat, ist sie nach Dresden gezogen und hat eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen. In der neuen Stadt hat sie Anne kennengelernt. Heute lebt die kleine Familie in Radebeul. Dort ist es ruhig und sicher. Im September nimmt Linda ihre Ausbildung wieder auf, dann geht Anne in Elternzeit. Doch Krankenschwester möchte Linda nicht bleiben. Wenn sie genug Wartesemester gesammelt hat, will sie Medizin studieren. Ihr großes Ziel: Ärztin werden. Emilia hat aufgehört zu reden und katscht auf dem kleinen Plüschhasen rum, den Linda ihr gegeben hat. Da kommt Anne nach Hause und ruft „Hallo“. Sie küsst Linda und beginnt mit Emilia zu schäkern. Die Kleine strampelt mit Armen und Beinen und gackst fröhlich.
Anne ist auch Emilias Mutter. Für die kleine Familie ist das klar. Für den Staat nicht. Zurzeit hat Anne zwar keine Rechte an Emilia, aber Pflichten. Das bedeutet: Ließen sich die beiden scheiden, müsste Anne, die mehr verdient, an Linda Unterhalt zahlen. In Deutschland haben gleichgeschlechtliche Paare kein Recht auf Eheschließung. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen hierzulande eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen. Die Verpartnerung stellt die Martens zwar steuerlich mit verheirateten Paaren gleich, den Status einer Ehe haben sie aber nicht. Das merken sie vor allem, wenn es um Emilia geht. Gleich nach der Geburt haben Linda und Anne einen Antrag auf Stiefkindadoption gestellt. Dieser liegt noch beim Familiengericht. Wird er dort bearbeitet, geht er weiter zum Jugendamt. Linda ist von dem Prozedere genervt: „Es dauert ewig, kostet Geld und ist aufwendig.“ Bei heterosexuellen Paaren ist es einfacher: Wen die Mutter als Vater angibt, der gilt rechtlich als Vater.
Warum es bei ihnen so kompliziert sein muss, versteht Linda nicht. Aber sie erklärt sich die Sache so: „Die CDU regiert halt. Die sind nicht bereit, sich dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen, und haben Angst vor Neuem.“ Ob Emilia später mal gemobbt wird, weil sie zwei Mütter hat? Linda schüttelt den Kopf. Sie sagt: „Schwule und Lesben setzen sich mit dem Thema viel mehr auseinander als normale Eltern. Sie sprechen mit ihren Kindern drüber, sodass sie mit dem Thema gut umgehen können. Außerdem wächst Emilia in einer Welt auf, die offener ist als die, in der wir groß geworden sind. Für die Kinder in ihrem Alter sind Regenbogenfamilien hoffentlich normal.“