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Leben mit der Baustelle vorm Geschäft

Von „Annetts Reise-Shop“ in Ringenhain sind die Bauleute noch 200 Meter entfernt. Aber der Kanalbau wirft seinen Schatten voraus. Gelegentlich parken jetzt Leute neben ihrem Reisebüro, die in ein anderes Geschäft wollen.

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Von Ingolf Reinsch

Von „Annetts Reise-Shop“ in Ringenhain sind die Bauleute noch 200 Meter entfernt. Aber der Kanalbau wirft seinen Schatten voraus. Gelegentlich parken jetzt Leute neben ihrem Reisebüro, die in ein anderes Geschäft wollen. Annett Kretzschmar nimmt es gelassen. „So lange sie meinen Kunden die Parkplätze nicht wegnehmen, habe ich nichts dagegen.“

Vor Martina Becks Quelle-Shop auf der anderen Seite der Baustelle ist der Abwasserkanal schon verlegt. Aber jetzt sei es „noch schlimmer“ als während der Bauarbeiten direkt vor ihrem Geschäft. Damals kamen die Kunden über Eisenplatten noch auf die Parkplätze. Jetzt steht an der Zufahrt die Baustellenampel. Es staut sich, und die Einfahrt ist oft versperrt. „Mit den Bauarbeitern kann man reden“, weiß die Geschäftsfrau. Ihren Wunsch, die Ampel um einige Meter zu verlegen, konnten sie aber nicht erfüllen. Dann wäre der gesperrte Abschnitt zu groß, hieß es.

Seit Herbst wird auf der Bundesstraße in Ringenhain der Abwasserkanal verlegt. Im Oktober nächsten Jahres wollen die Bauleute den Ortseingang von Steinigtwolmsdorf erreicht haben. Gebaut wird bei halbseitiger Sperrung in Abschnitten. „Wir liegen im Plan“, sagt Ronald Töpfer, Geschäftsführer von Bistra Bau Putzkau. So lange es das Wetter zulässt, will das Unternehmen die Zeit nutzen.

Wo jetzt gebaut wird, gibt es nicht mal eine Handvoll Läden. Das mache es den Geschäftsleuten doppelt schwer, sagt Christina Feiler, Inhaberin eines Bekleidungsgeschäftes. Sie sieht sich als „Einzelkämpferin“, muss in Folge des Straßenbaus „zusätzliche Initiative zeigen“. Sie tut es mit Rabatten oder auch mit der zur Tradition gewordenen Weihnachtsrunde bei Kaffee und Kuchen, zu der sie ihre Stammkundschaft am ersten Adventswochenende wieder einlud. Trotz der Bauarbeiten war der Zuspruch enorm, freut sich Christina Feiler.

Die Gemeinde hatte die Kanalbauarbeiten angekündigt und die Einwohner auf einer Versammlung informiert. Was den meisten ausreichen mag, kam aus der Sicht mancher Einzelhändler zu spät. „Ich bestelle meine Ware ein Jahr im Voraus. Hätte ich im letzten Dezember gewusst, dass ich genau zum Weihnachtsgeschäft eine Baustelle hier habe, hätte ich anders eingekauft“, sagt Christina Feiler. Ihr Geschäft ist auch jetzt gut zugänglich, der Parkplatz erreichbar. „Aber wer einmal Grün hat, fährt durch.“

Eine Erfahrung, die Martina Beck teilt. Seit Baubeginn kommen weniger Kunden, vor allem die Laufkundschaft bleibe weg. Den Umsatzrückgang allein beim Lotto schätzt Frau Beck auf 40 Prozent. „Sonst halten Durchfahrende eher mal an. Vor allem wenn der Jackpot voll ist.“ Um Kundschaft in der Adventszeit zu locken, bereite sie für die nächsten Tage einen Weihnachtstisch vor, sagt Martina Beck.

So gut wie keine Auswirkungen haben die Bauarbeiten auf den Heizungs- und Sanitärbetrieb von Reinhard Schube. „Unser Schwerpunkt ist auf Montage“, sagt der Firmenchef. Annett Kretzschmar rechnet unterdessen damit, dass auch sie Kunden verlieren könnte, ist die Baustelle erst einmal vor ihrem Reisebüro. Gerade jetzt und in den nächsten Wochen buchen viele Kunden ihren Urlaub.

„Bis jetzt ist das Wetter mit uns“, sagt Bürgermeister Peter Kynast. Vor dem Wintereinbruch wolle man so weit kommen wie möglich. Die Tage für die Winterpause seien eingeplant. Kommt der Schnee, werde die Straße geschlossen und für den Verkehr vorübergehend in beiden Richtungen frei gegeben.

Das Warten an Baustellenampeln hat indes auch sein Gutes. Denn bei Rot können die Kunden aus dem Auto mal einen Blick in die Schaufenster werfen. Christina Feiler, die ihre Fenster ohnehin häufig neu dekoriert, reagierte und wechselt jetzt die Ware in den Fenstern aller zwei Tage. „Die Kunden haben es bemerkt“, freut sie sich.