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Lederhändler bläst Zapfenstreich

Seit einigen Jahren istdie „Völkerschlacht“ mit ins Geschäft einbezogen.

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Von Thomas Biskupek

Betritt man vom Leipziger Hauptbahnhof aus die vielbelaufene Nikolaistraße, liegt rechts bald das alteingesessene Taschen- und Lederwarengeschäft von Kristoff Kleemann. Ateingesessen ist es in Leipzig – nicht an diesem Platz, da eröffnete der Händler erst 1996. Aber Lederwaren verkauft er bereits in sechster Generation; 1842 wurde das Geschäft gegründet.

Auffallend ist es nicht wegen der Geschichte, sondern weil der Händler von Koffern und Portemonnaies einen Teil seiner beiden Schaufenster einem völlig anderen Sortiment einräumt, das er ebenfalls feilhält: Zinnfiguren rund um die Völkerschlacht bei Leipzig.

Seit 25 Jahren gehört Kleemann zum Verein „Preußen von Möckern“, hat fachgerechte Kleidung, selbst gefertigtes Lederzeug und originale Waffen. Sogar den Zapfenstreich zu blasen, hat der Mann gelernt, der keine Noten kann. Er hat Unmengen von Literatur über jene Zeit gelesen und gehört weniger zu denen, die ihre Kinderzeit durch „Kriegspielen“ verlängern. Ihn interessiert die Zeit.

Aus dem einen Hobby wurde dann auch das andere, die dazu passenden Figuren selbst zu sammeln und schließlich in seinem Geschäft zu verkaufen. Natürlich gibt es größere Händler auf dem Gebiet, aber sicher selten solche sachkundigen, innerlich beteiligten.

Dabei bleibt Kleemann dennoch seinen Vorfahren treu, die lange Zeit neben dem Geschäft auch eine Kofferfabrik in Leipzigs Innenstadt besaßen. Der Betrieb fiel den Bomben im Krieg zum Opfer. Der Erbe hätte den Laden beinahe nicht übernehmen können, weil private Ladenbetreiber in seiner Jugend nicht wohl gelitten waren. Gelernt hatte er deshalb einen Metallberuf, doch dann durfte er auch Handelskaufmann werden und studierte vier Jahre Binnenhandel. Er hatte sich mit der Mangelgesellschaft herumzuschlagen. Heute sagt er: „Es war trotzdem eine schöne Zeit für mich. Ich habe mich immer für meine Kunden aufgerieben.“

Seine Erfahrung mag dazu beigetragen haben, dass er 1991 als ehrenamtlicher Richter berufen wurde. Kleemann bleibt dennoch vor allem bei denen, die an die historische Völkerschlacht von 1813 erinnern.