Von Christiane Ernek
Ein lautes Piepen kündigt Hagen Israel seinen ersten Einsatz an. Der 32-Jährige ist ADAC-Straßenwachtfahrer. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich von Ohorn bis Görlitz und von Königswartha bis zur tschechischen Grenze. „Ein Opel Astra in Wilthen springt nicht an“, deutet er die Informationen auf dem Bildschirm. Die Daten, die dort zu lesen sind, kommen aus der Pannenhilfszentrale in Berlin. Dort sitzt ein Disponent für Sachsen, der die eingehenden Aufträge koordiniert und an die einzelnen Fahrer weitergibt.
Und schon ist er mit seinem leuchtend gelben Opel Zafira unterwegs in Richtung Oberland. Die Straßen- und Witterungsverhältnisse versprechen heute einen ruhigen Tag. In der Woche ist es weniger stressig. Aber von Freitag bis Montag gibt es vor allem durch den Pendlerverkehr viel zu tun. Diese Hochkonjunktur zum Wochenende bestimmt auch seinen Dienstplan. „Ich habe nur ein freies Wochenende pro Monat, das ist dann aber auch länger, meist drei oder vier Tage. Ansonsten habe ich in der Woche ein paar Tage frei“, sagt der östlichste „gelbe Engel“.
Zwei aufgeregte ältere Herren
Dann rollt er auch schon in der Wilthener Karl-Marx-Straße ein. Als er am Pannenwagen anhält, stehen dessen Besitzer und sein Bruder schon aufgeregt davor. Nach einer freundlichen Begrüßung lässt sich Hagen Israel das Problem genau schildern. „Die Meldung, die bei uns erscheint, ist sehr verkürzt und manchmal nicht ganz korrekt, weil die Telefonisten an der Hotline keine ausgebildeten Automechaniker sind, sondern nur einen Fragenkatalog als Anhaltspunkt haben“, sagt der Rammenauer.
Und so schildert ihm Burkhart Hupe, dessen grauer Opel Astra streikt, das Problem noch einmal ausführlich. Zur genaueren Diagnose versucht der 32-Jährige das Auto noch einmal anzulassen. „Der ist abgesoffen“, kommt nach wenigen Sekunden sein Ergebnis. Für den Laien erklärt er es noch mal genauer. „Der Funken ist nicht richtig übergesprungen, so dass der Kraftstoff nicht entzündet wurde und die Kerzen angegriffen hat.“ Mit wenigen Handgriffen behebt er den Schaden und der Motor läuft wieder. Man hört förmlich die Steine von den Herzen der beiden älteren Männer fallen. Bevor Israel zum nächsten Einsatz aufbrechen kann, muss er noch die Daten aufnehmen. Und schon ist er zur nächsten Panne unterwegs – nach Seeligstadt bei Großharthau.
Sein Beruf erfordert nicht nur technisches Können sondern auch viel Einfühlungsvermögen für die Autofahrer. „Für die Leute ist es eine ungeheure Stress-Situation, bei der sich der Einzelne nicht immer im Griff hat. Aber da bleibe ich ruhig und versuche, dass Problem so schnell wie möglich zu lösen. Auch wenn das Auto wieder funktioniert, ist es wichtig, den Leuten noch einmal zu erklären, woran es gelegen hat und wie sie weiter verfahren sollen, damit nicht gleich wieder eine Panne auftritt“, sagt Hagen Israel. Man merkt, dass er damit Erfahrung hat und gut auf die Leute eingehen kann. Das ist aber nach mehr als zehn Jahren Dienstzeit und 570 000 Kilometern kein Wunder.
In Seeligstadt macht ein 20 Jahre alter Golf Probleme. Hier liegt es an der Batterie, die vollkommen tot ist. Der Experte stellt Besitzerin Carla Hackel vor die Wahl. „Entweder ich baue ihnen eine neue ein, oder ich gebe ihnen Starthilfe und sie fahren zur nächsten Werkstatt.“ Sie entscheidet sich für zweiteres, damit der Wagen überhaupt erstmal ins Rollen kommt, denn für eine neue Batterie fehlt ihr das Geld.
Nachdem der alte Volkswagen wieder zum Laufen gebracht wurde geht es ohne festes Ziel erstmal in Richtung Autobahn, um einen guten Startpunkt für den nächsten Einsatz zu haben. „Wenn ich mal etwas Ruhe habe, versuche ich, meinen Bürokram zu erledigen oder wasche das Auto. Solche Momente sind aber selten“, sagt er. Da kommt ein neuer Auftrag.
Während die folgenden beiden Einsätze nur Sache von Minuten sind, klingt Israel besorgt, als Pannenfall Nummer fünf auf dem Bildschirm erscheint: „Bei einem Renault 19 in Görlitz ist kein Druck am Kupplungspedal – das wird eine schwierigere Angelegenheit. Vermutlich ist das Kupplungsseil gerissen.“ Am Pannenort angekommen, bestätigt sich seine Ferndiagnose – das Kupplungsseil ist kaputt. Der „Gelbe Engel“ empfiehlt Autobesitzer Johannes Nitschke, sich in die nächste Werkstatt abschleppen zu lassen. „Ich kann ihr Auto zwar auch wieder zum Fahren bringen, aber das dauert bestimmt 40 Minuten und dann müssten sie trotzdem noch mal in die Werkstatt.“ Also entscheidet sich Nitschke für die erste Variante. Hagen Israel holt das Abschleppseil heraus, gibt ein paar Instruktionen und es geht los. Jetzt kommt auch der gelbe Knopf neben dem Lenkrad zum Einsatz. Damit wird die Warnleuchte auf dem Dach eingeschaltet .
In der Werkstatt kümmert man sich sofort um den Renault. „So kann er nach einer halben Stunde weiterfahren. Ich wäre nicht so schnell gewesen. Man muss eben immer abwägen, wie man den Kunden zügig wieder zur Mobilität verhelfen kann“, begründet der ADAC-Mann seine Entscheidung.
Kaum fährt er vom Werkstatthof, da kommt schon der nächste Auftrag. In Markersdorf springt ein Renault Megane nicht an. Dessen Besitzer, Günter Bürger, schildert das Problem: Es funktioniert gar nichts mehr. Ich wollte die Zentralverriegelung aufheben. Da gab es nur ein leises Geräusch, aber mehr passierte nicht.“ Israel holt sein Strommessgerät und stellt fest, dass die Batterie, obwohl fast neu, völlig entladen ist. Ein Blick in den Fahrgastraum bringt ihn noch nicht so richtig weiter. Jetzt interessiert ihn der Kofferraum. Allerdings nicht aus der normalen Perspektive, sondern via umgeklappter Rückbank. Und schon hat er das Problem gefunden. „Der Schalter ihrer Kofferraumleuchte ist defekt, denn sie brennt noch und hat den ganzen Strom der Batterie verbraucht.“ Nachdem Hagen Israel den Schalter gewechselt hat, startet er den Renault fremd und empfiehlt Günter Bürger erstmal eine halbe Stunde zu fahren, damit sich die Batterie wieder aufladen kann.
Auch die nächsten beiden Einsätze sind Routine. Wieder leere Batterien; der ADAC-Mann muss lediglich Starthilfe geben. Nur beim letzten Auftrag wird es noch einmal knifflig. In Mengelsdorf springt ein Opel Corsa nicht mehr an. Der Mechaniker versucht, das Auto zu starten und kann sofort sagen, woran es liegt: „Es kommt keine Zündung zu Stande. Ich werde die Kerzen trocknen. Aber die müssen unbedingt ausgetauscht werden.“ Als Hilfsmittel nutzt Israel einen kleinen Brenner, den er im Werkzeugschrank hat, der sich im Kofferraum seines Zafiras befindet.
Getrocknet und gereinigt baut er die Kerzen wieder ein. Trotzdem springt der Motor nicht an. Ein weiterer Griff in den Werkzeugschrank befördert eine Sprayflasche zu Tage. „Das ist Kriechöl. Das zieht Wasser und Streusalz an, die zusammen sonst den Stromfluss von der Zündkerze weglenken.“ Das hilft. Denn nach dem dritten Startversuch läuft der Motor endlich.
Nach 400 Kilometern und neun Einsätzen geht der Arbeitstag für Hagen Israel dem Ende entgegen. Er ist zufrieden. „Der Job macht Spaß und ist abwechslungsreich. Ich habe Kontakt zum Kunden und bin mein eigener Herr. Und nochwas: Ich sehe meinen Chef so gut wie nie, wir führen quasi eine Telefonbeziehung“, lacht er. Trotzdem weiß man immer, wo sich Israel befindet. Per GPS (Global Positioning System) kann die Zentrale stets den Aufenthaltsort feststellen. „Das ist wichtig für den Disponenten, um die Einsätze auch räumlich koordinieren zu können.“ Für heute braucht sich der Disponent aber nicht mehr um Hagen Israel kümmern. Der hat Feierabend.