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Leichtbau-Schiffe für die Elbe

Wie oft in Riesa Schiffe ablegen könnten, hängt vom Elbepegel ab. Markus Mütsch hat eine Idee.

Von Christoph Scharf
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Kann man daraus Schiffe bauen? Markus Mütsch sagt ja: Der frühere Riesaer Finanzbürgermeister führt eine Leichtbau-Forschungsfirma – und würde gern an Binnenschiffen aus Faserverbundwerkstoffen mitarbeiten.
Kann man daraus Schiffe bauen? Markus Mütsch sagt ja: Der frühere Riesaer Finanzbürgermeister führt eine Leichtbau-Forschungsfirma – und würde gern an Binnenschiffen aus Faserverbundwerkstoffen mitarbeiten. © Dietmar Thomas

Döbeln/Riesa. Federleicht ist das: Auf drei Fingern lässt Markus Mütsch eine Platte aus Faserverbundwerkstoffen schweben. Der einstige Riesaer Finanzbürgermeister befasst sich mittlerweile in seiner Döbelner Firma beruflich mit dem Material. Und er ist überzeugt, dass davon auch Anwohner und Unternehmen in Riesa profitieren könnten. „Würde man Binnenschiffe nicht mehr aus Stahl, sondern aus Faserverbundwerkstoffen bauen, kämen sie mit deutlich weniger Tiefgang aus“, sagt der 55-Jährige.

Das sei dringend nötig: Zuletzt musste der Schiffsverkehr in Riesa mehrfach monatelang pausieren, weil zu wenig Wasser im Fluss war. Die Güter wurden stattdessen auf die Schiene oder auf Lkws verladen. „Das Verständnis der Öffentlichkeit für den Hafenausbau in Riesa wäre größer, wenn wieder mehr Schiffe fahren würden“, sagt Mütsch. Faserverbundwerkstoffe seien zwar deutlich teurer als Stahl, aber bei gleicher Stabilität viel leichter. Damit wären Binnenschiffe mit 1,40 Meter Tiefgang möglich. Es sei höchste Zeit, dass sich Sachsens Regierung damit beschäftige. 

Im Wirtschaftsministerium verweist man an die landeseigene Gesellschaft SBO, die auch den Riesaer Hafen betreibt: Sie sei seit Jahren an dem Thema dran. „Bei uns im Haus wurden die Bemühungen bislang als begrüßenswert zur Kenntnis genommen, eine Mitarbeit oder gar eine Förderung gibt es hier nicht“, sagt ein Ministeriumssprecher.

SBO-Chef Heiko Loroff könnte Binnenschiffen aus Kunstfaserverbundstoffen etwas abgewinnen. „Generell sind alle Leichtbauweisen mit entsprechender Stabilität interessant im Schiffbau.“ Ein Duisburger Entwicklungszentrum beschäftige sich damit. Hauptproblem seien demnach mögliche Belastungen durch Verdrehungen und die Langlebigkeit der Schiffskörper im Vergleich zu Leichtbauweisen aus Metall. Der Branchen-Interessenverband Elbe-Allianz verweist auf mögliche Schwierigkeiten, wenn beim Güterumschlag der Greifer an die Wände des Schiffs schlägt. „Und die Reparaturkosten dürften höher liegen als im Stahlbau“, sagt Vorstandsvorsitzender Stefan Kunze.

Die Leichtbau-Schiffe hätten weniger Tiefgang als konventionelle Schiffe (kl. F.) – gut in Trockenperioden. 
Die Leichtbau-Schiffe hätten weniger Tiefgang als konventionelle Schiffe (kl. F.) – gut in Trockenperioden.  © dpa

Ein möglicher Vorteil solcher Kunststoffschiffe wäre dagegen eine höhere Zuladung durch die Gewichtseinsparung, sagt SBO-Geschäftsführer Loroff. Allerdings sei noch nichts über das Verhalten bei möglichen Havarien oder Kollisionen bekannt. Derzeit sind auf der Elbe eher traditionelle Schiffe unterwegs, manche älter als 50 Jahre alt, manche jünger als 20. „Die letzten Neubauten flachgehender Schubschiffe sind Ende der 80er-Jahre in den Dienst gestellt worden“, sagt Stefan Kunze. Schiffe seien allerdings „langlebige Wirtschaftsgüter“, da sie regelmäßig etwa am Rumpf oder an den Maschinen erneuert werden. „Das Durchschnittsalter der deutschen Flotte betrug im Jahr 2017 bei Gütermotorschiffen 63,1 Jahre – für die Elbe gibt es dazu keine separate Statistik“, sagt Kunze.

Tatsächlich könnte man zusätzliche Schiffe auf der Elbe brauchen, so Heiko Loroff. Wenn der Fluss gut schiffbar sei, merke man, dass der Schiffsraum begrenzt sei. „Manche Ladungen müssen bis zu einer Woche warten, bis ein passendes Schiff gefunden ist.“ Die Anschaffung moderner Schiffe ist allerdings nicht ganz ohne. Ein neues konventionelles Schubschiff mit zwei Leichtern koste etwa 4,5 Millionen Euro. „Gütermotorschiffe sind etwas günstiger zu haben“, sagt SBO-Chef Loroff. Der Preis für ein neues Schiff rentiere sich laut einer Berechnung aktuell erst nach bis zu 34 Jahren Betrieb. Deutlich verkürzen ließe sich der Zeitraum mit gezielten Förderprogrammen, heißt es von der Elbe-Allianz.

Das Bundesverkehrsministerium verweist in seinem diese Woche veröffentlichten „Masterplan Binnenschifffahrt“ darauf, dass ein Förderprogramm zur Modernisierung von Schiffen gerade erst verlängert worden sei. Zudem lasse man wissenschaftlich untersuchen, wie eine Förderung für „konstruktiv optimierte Binnenschiffe“ aussehen könne. Tatsächlich habe sich die Zahl der deutschen Binnenfrachtschiffe seit 1993 fast halbiert: auf heute weniger als 2 000 Stück. Dabei könne ein Motorgüterschiff bis zu 150 Lkw ersetzen.

Den Aspekt hält auch Markus Mütsch für wichtig – die Riesaer hätten vom ständig zunehmenden Lkw-Verkehr die Nase voll. Es sei auch ein Irrsinn, Güter von Riesa per Lkw nach Duisburg zu fahren – um sie dort in Schiffe auf dem Rhein zu laden, um sie dann in die ganze Welt zu verschiffen. Seine Forschungsfirma beschäftigt sich ohnehin mit Faserverbundwerkstoffen. Bislang sei vor allem die Luftfahrt Thema, Aufträge für die Schifffahrt könnte sich Mütsch aber auch gut vorstellen. „Es wäre nötig, dass mal ein Prototyp über die Elbe schippert. Dann könnte das Konzept sogar zu einem Export-Schlager werden.“