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„Leider wird so manches Mal Schindluder getrieben“

Seit gestern treffen sich Angestellte und Leiter von kommunalen Archiven im Radebeuler Rathaus zu ihrer diesjährigen Tagung. So manche finanziell gebeutelte Gemeinde denkt an die Ausgliederung ihres Archives in freie oder private Trägerschaft. Doch können sich die Schatzkammern sächsischer Historie wirtschaftlich allein über Wasser halten?

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Von Frank Roßmann

Für ihr Archiv könne sie sich eine freie Trägerschaft nur schlecht vorstellen, sagt die Radebeuler Stadtarchivarin Annette Karnatz. Allein über Gebühren für die Benutzung ließe sich die aufwendige Konservierung und Bearbeitung der historischen Dokumente kaum ausreichend finanzieren. Genau aber die Frage nach dem lieben Geld, sei auf der derzeit stattfindenden Jahrestagungen der Kommunal-Archivare die wohl am meisten diskutierte. „Klar, das will jeder wissen, wo sich wieder eine Möglichkeit des Sponsoring oder finanzieller Förderung durch Stiftungen oder aus privater Hand aufgetan hat“, sagt Karnatz.

Etwa 50 Hüter historischer Preziosen sind aus allen Teilen Sachsens nach Radebeul angereist, um sich in der zweitägigen Jahrestagung über alles Neue im Geschäft mit dem Alten zu informieren.

Alte Hasen und Kenner der Archiv-Szene reden

Die Liste der Vortragenden ist mit alten Hasen und Kennern der Archiv-Szene besetzt. So spricht Hans Ulrich Lehmann, Oberkonservator der Foto-Sammlung im Dresdner Kupferstich-Kabinett, unter anderem über Rechtsfragen bei der Veröffentlichung und Reproduktion archivierter Fotos. „Da gibt es so viele Fälle missbräuchlicher Weiterbenutzung von Ablichtungen und Kopien, denen die Archivare rechtliche Schranken vorschieben können“, sagt Lehmann. Er kenne viele Fälle, in denen eben nicht die Fotografen oder Künstler letztlich von ihrem Bild profitierten, sondern Verlage oder Privatforscher mit geradezu „wilden“ Veröffentlichungen. „Leider wird eben so manches Mal Schindluder getrieben, was Archive aber mit ausgefeilteren Publikationsklauseln in den Verträgen verhindern können.“ Doch zuweilen lasse sich richtig gehend von „geistigem Diebstahl“ reden. Lehmann berichtet vom Fall der Münchner Fotografin Herlinde Koelbl: Eine ihrer Bildideen, veröffentlicht in einem Ausstellungskatalog, wurde von einer Werbe-Agentur „schlicht abgekupfert“. Nach dem Einverständnis der Fotografin fragte die Agentur allerdings nicht. Koelbl forderte Entschädigung und bekam letztlich vor Gericht Recht. An noch weitaus kompliziertere Fälle des Missbrauchs kann sich Lehmann aus seiner eigenen Tätigkeit erinnern. Reproduktionen, die allein zur einmaligen Publikation an Verlage freigegeben wurden, fand Lehmann dann gleich mehrmals in Katalogen und Journalen wieder.

Besonders problematisch sei die Rechtslage aber bei digitalen Bilddatenbanken, derer sich die Archive im zunehmenden Maße bedienen. „Die Bilder sind sehr einfach per Mausklick abzurufen, also leicht reproduzierbar“, sagt er. Ob eine nachfolgende Veröffentlichung zulässig ist oder nicht, kann bisher nicht immer mit völliger Sicherheit gesagt werden. „Natürlich sehen Schutzklauseln nach übermäßiger Bürokratie aus, aber sie sind einfach nötig, dass auch die richtigen an den Bildern verdienen.“

Auch Silke Birk, Referentin für Archivwesen im sächsischen Innenministerium, widmet sich in ihrem Vortrag den gesetzlichen Bestimmungen. Schwierig kann es nämlich werden, wenn ein Archiv Dokumente mit Personendaten zur Konsultation freigibt.

Veröffentlichung erst zehn Jahre nach dem Tod

„Wir sprechen da von informationeller Selbstbestimmung: Erst 100 Jahre nach Geburt oder 10 Jahre nach dem Tod einer Person können Daten über sie herausgegeben werden“, beschreibt sie. Allein Forscher, die die Daten für wissenschaftliche Arbeiten brauchen, hätten gute Chancen, vor Ablauf der Schutzfrist auf entsprechende Dokumente zuzugreifen.

Entgegen gängigen Klischees arbeiten Archivare nicht bevorzugt in staubtrockenem Klima: Zu trockene Luft schadet ja auch den historischen Schriften. Und so beschränkt sich die Radebeuler Tagung nicht allein auf Rechtsvorträge. „Wir haben sicher einiges zu erzählen, denn viele kennen sich seit langem“, plaudert Karnatz aus dem Nähkästchen. In der DDR habe es nämlich nur zwei Ausbildungsstätten für Archivare gegeben: Die Fachschule in Potsdam und die Berliner Humboldt-Universität. „Die Tagungen organisieren wir jedes Jahr selbst, der Aufwand dabei ist allerdings erheblich “, sagt Karnatz. Solche Treffs seien aber einfach nötig. „Schließlich sind die meisten von uns Einzelkämpfer.“