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Leningrader Sinfonie in Görlitz

Kultur. Das 31. Schlesische Musikfest bringt Weltberühmtes in dassommerliche Görlitz und gedenkt des Kriegsendes.

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Von Ines Eifler

Musik kennt keine Grenzen und braucht keine Dolmetscher für fremde Worte, sie wird über die Nationen hinweg verstanden. Mit diesem Grundgedanken lädt das traditionell alle zwei Jahre gefeierte Schlesische Musikfest Künstler aus Polen, Tschechien und Deutschland ein. In diesem Jahr ist der 60. Jahrestag des Kriegsendes das Thema.

Vom 10. bis 19. Juni 2005 veranstaltet das Kuratorium „Schlesische Lausitz“ e. V. das 31. Schlesische Musikfest. Im Gegensatz zu 2003, als nicht ganz erfolgreich versucht wurde, das Fest stärker in der ganzen Region zu verankern, wird Görlitz diesmal wieder in den Mittelpunkt gerückt und ist mit verschiedenen Spielstätten Hauptveranstaltungsort des reichen Programms.

Damals, von 1889 bis 1942, waren dem Fest drei bis fünf Tage gewidmet, aus der Region und bis aus Breslau (Wroclaw) oder Troppau im Altvatergebirge (heute Opava in Tschechien) kamen Sänger und andere Musiker, zu Gast waren Größen wie etwa die Berliner Philharmoniker. Es wurde immer eine reiche Mischung aus klassischen und zeitgenössischen Kompositionen gespielt.

Künstler aus drei Ländern

Um der Bezeichnung „schlesisch“ gerecht zu werden, hat sich das Kuratorium bemüht, auch für das diesjährige Fest Künstler aus dem polnischen, dem tschechischen und dem deutschen Schlesien einzuladen und Werke auszusuchen, die in diesem Raum entstanden sind.

Es sei „aber etwas schwierig, sich nur auf Schlesien zu beschränken“, sagte Michael Schmuck, der sich in vielen ehrenamtlichen Stunden um die Organisation des Festes kümmert, und so sind Chöre, Orchester, kleinere Besetzungen und Solisten aus ganz Polen, Tschechien und Deutschland eingeladen.

Bereits die Eröffnung zeigt, auf welch hohem Niveau sich das Repertoire dieser musikalischen zehn Tage bewegt: Das weltberühmte Prager Kammerorchester, das bereits 2001 in der Görlitzer Frauenkirche begeisterte, bildet den Auftakt am Freitag. Das Konzert der Neuen Lausitzer Philharmonie mit Schostakowitschs „Leningrader Sinfonie“ von 1942 ist ein weiterer Höhepunkt des Festes, und als krönender Anschluss führt Stanislaw Rybarczyk mit dem Breslauer Synagogalchor das zeitgenössische Oratorium „Der Mensch, das Spiel der Zeit“ von Heino Schubert auf: eine Vertonung von Texten des bedeutendsten deutschen Barockdichters Andreas Gryphius, der wie der Komponist aus dem schlesischen Glogau (Glogow) stammte.

Wie jedes Mal steht auch in diesem Jahr eine musikalische Ausflugsfahrt auf dem Programm. An einem der Tage geht es ins Hirschberger Tal, auf dem eindrucksvoll sanierten Schloss Lomnitz erwartet die Besucher am späten Nachmittag ein ganz besonderes Konzert. Der in Görlitz gebürtige Dresdner Soloflötist Eckart Haupt und der Cembalist Armin Thalheim aus Berlin spielen im prachtvollen Ambiente. In den Vorjahren führten die Reisen nach Kreisau oder Klitschkow.

In einem außergewöhnlichen Konzert für Orgel und Sprecher wird Musik des bedeutendsten zeitgenössischen tschechischen Komponisten, Peter Ebens, erklingen. Der Österreicher Gunther Rost führt an einem der Festtage Stücke auf, denen Texte des Böhmen Johann Amos Comenius zugrunde liegen.

Erinnern an das Kriegsende

Ein Fest, das sich international, aus Deutschland heraus in den Osten Mitteleuropas orientiert, kann ein wichtiges Thema, unter dem das ganze Jahr 2005 steht, nicht außer Acht lassen. Das Ende des Zweiten Weltkriegs liegt 60 Jahre zurück, und so wird rund um die ebenfalls davon geprägten Musikveranstaltungen unter dem Motto „Erinnern – Versöhnen – Perspektiven öffnen“ ein wenig Nachdenkliches geboten. Prominente diskutieren über die Rolle der Kulturlandschaft Schlesien in Europa, Gymnasiasten werden aus Büchern lesen, die sich mit dem Krieg oder dessen Folgen auseinandersetzen, und die Comenius-Buchhandlung versammelt deutsche und polnische Autoren.

Seit sich die Spannungen zwischen Schlesischem Musikfest und dem nur wenig später beginnenden Dreiklang-Festival gelöst haben, wird es 2005 einige gemeinsame Programmpunkte geben.