Zur Auseinandersetzung um die Handschrift über das Ostfriesische Landrecht; 12. März, S. 21, erreichen uns viele Zuschriften. Hier schreibt Paul Kirsch aus Seifhennersdorf:
Landkreis verliert eindeutig
Eine wertvolle Handschrift aus dem Altbestand der Zittauer Christian-Weise-Bibliothek gelangt, vorsichtig ausgedrückt, auf seltsamen Wegen in den Besitz ostfriesischer Stiftungen. Ein Gerichtsverfahren über die Rückgabe dieses Kulturgutes endet mit einem Vergleich. Sieger nach Punkten die Stiftungen, eindeutiger Verlierer der Landkreis Löbau-Zittau. Um die Wendezeit, als zum ersten Male über die von der DDR-Führung betriebene Kulturgutverschleuderung öffentlich gesprochen wurde, konnte man auch von „Unregelmäßigkeiten“ in der Verwaltung des Altbestandes der Zittauer Christian-Weise-Bibliothek lesen. Vom ehemaligen Landrat, Heinz Eggert, wurde ich im Jahre 1991 zum Leiter einer Revisionskommission berufen, die diese Vorgänge untersuchen sollte. Nach der Revision wurde ich Leiter der Abteilung Wissenschaftlicher Altbestand und konnte viele Geschehnisse, wie die Rückführung der „Stolpe-Bibel“ oder des gestohlenen Werkes von Nikolaus Kopernikus „De revolutionibus orbium coelestium“ oder das erste Treffen mit Vertretern dieser Stiftungen in Zittau „hautnah“ miterleben. Im Jahre 1991 wurde zum ersten Mal eine Revision dieses Bestandes durchgeführt. Der Diebstahl wertvollster Stücke im Jahre 1987 war nur ein Glied in der Kette einer jahrelangen Plünderung dieses Bestandes! Über das Ergebnis der Revision wurde in der Presse bezeichnenderweise nie etwas veröffentlicht. Meines Wissens ist keine andere Bibliothek der DDR so schwer zur Ader gelassen worden in dem diffusen Geschäft mit der BRD, wo es um die Verhökerung von wertvollstem Kulturgut ging. 15 Jahre nach der Wende sollte man schon einmal darüber auch öffentlich berichten.
Keine tragfähige Rechtsauffassung
Da Diebstahl einen rechtmäßigen Eigentumserwerb ausschließt, hätte der Vergleich eher lauten müssen: Rückgabe der Handschrift an die Christian-Weise-Bibliothek, Ausleihe der Schrift zu besonderen Anlässen, Digitalisierung der Handschrift durch das Land Niedersachsen und den Freistaat Sachsen und freier Internetzugang zu ihr. Die beim Vergleich vertretene Rechtsauffassung möge sich nicht durchsetzen, dass Kulturgut dort aufzubewahren ist, wo der Bezugspunkt ist – ganze Bibliotheken, Museen und Galerien leerten sich. Ostfriesisches Landrecht nach Ostfriesland, die holländischen Maler in die Niederlande, Picasso nach Spanien, die Sixtinische Madonna nach Italien. Der nun geschlossene Vergleich ist wohl einmalig in der Bibliothekslandschaft und kann auch nicht mit der klammen Kasse des Landkreises – um mit modernsten Kriminaltechniken erstellte Gutachten und einen Prozess zu finanzieren – erklärt werden. Durch die Annahme des Vergleiches würde die kriminelle Tat von einst sanktioniert.
Ralf Schwarzbach, Zittau