Von Frank Seibel
Ingrid Lange hat heute eigentlich frei. Aber um elf Uhr wird sie doch noch mal für eine Stunde dorthin gehen, wo sie 37 Jahre lang gearbeitet hat. „Ich werde das Licht ausmachen“, sagt die Leiterin der Kinderbibliothek und zwinkert mit den Augen.
Heute um 12 Uhr endet in der Jakobstraße 5, hinter dem prachtvollen goldverzierten Tor, eine Ära. 50 Jahre lang war die Görlitzer Kinderbibliothek hier zu Hause. Nun schließt die Einrichtung zunächst für zwei Monate – um dann am 23. Januar im Neubau auf der Jochmannstraße wieder zu öffnen.
Anfangs, sagt Ingrid Lange, war sie schon wehmütig beim Gedanken, dass sie den idyllisch gelegenen Winkel verlassen muss. Auch wenn der alte graue Bau im Hinterhof schon arg abgenutzt ist. Jetzt aber freut sie sich auf das neue Domizil, das so ganz anders sein wird als bisher. Oben, im zweiten und dritten Stock des Neubaus neben der alten Stadtbibliothek, werden Kinder und Jugendliche zwei Etagen ganz für sich haben. Mit großen Fenstern, die den Blick in den Himmel und über die ganze Stadt freigeben.
„Für die Kinder soll sich hier eine neue Welt auftun“, sagt Ines Thoermer, die Leiterin der Stadtbibliothek. Ihr sieht man in diesen Tagen das Glück an, dass der Neubau so geraten ist, wie sie es sich immer erträumt hat. Hell, klar, großzügig.
Etwa zwei Wochen wird es noch dauern, bis Ines Thoermer offiziell den Schlüssel für den Neubau erhält. Der Umzug allerdings hat längst begonnen. Mit Wäschekörben und Bananenkisten sind viele der insgesamt rund 6000 Nutzer in den vergangenen Wochen angerückt und haben ausgeliehen, was auszuleihen war. Endlich einmal fast ein Vierteljahr Zeit zum Lesen! So müssen die Mitarbeiter nur noch etwa die Hälfte aller 90000 Medien umsiedeln. Nur CDs und DVDs sind ab 23.Januar schon im Neubau zu haben. Und das komplette Angebot für Kinder. Die Bücher für die Großen werden für ein Jahr im ehemaligen Kindergarten in der Gersdorfstraße 11 präsentiert. In dieser Zeit wird der Altbau der Bibliothek samt dem imposanten Lesesaal modernisiert.
Der Platz reicht dort aber nur für 22000 von etwa 50000 Büchern aus. So muss Ines Thoermer mit ihrem Team noch einmal das Magazin durchstöbern. Welche Werke sind unentbehrlich? Vor allem Schüler können sich darauf verlassen, dass die wichtigsten Nachschlagewerke für den Unterricht im Ausweichquartier der Stadtbibliothek zu finden sind. Auch bestimmte Klassiker dürfen nicht fehlen.
Wer heute zum Finale noch einmal Lesestoff bunkern will, hat durchaus noch große Auswahl. In den vergangenen Wochen sind vor allem viele Titel und Autoren weggegangen, die derzeit groß im Gespräch sind. „Manche Kunden haben auch gezielt zu Philosophen gegriffen, weil sie nun mal richtig Zeit haben zum Lesen“, sagt Ines Thoermer.
Kinder- und Stadtbibliothek sind heute von 9 bis 12 Uhr geöffnet. Am 23. Januar nimmt der Neubau in der Jochmannstraße den Betrieb auf. Ziel ist es, zur selben Zeit auch das Übergangsquartier für Bücher in der Gersdorfstraße 11 zu öffnen.