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Zwillinge suchen genetischen Drilling

Die Hobby-Läuferin Anja Berthold ist erneut an Leukämie erkrankt. Ihre Schwester organisiert heute eine große Spendenaktion.

Von Tino Meyer
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Eineiige Zwillinge, doch diesmal einander nicht genug. Katja Gertel (links) sucht für ihre Schwester einen Stammzellspender.
Eineiige Zwillinge, doch diesmal einander nicht genug. Katja Gertel (links) sucht für ihre Schwester einen Stammzellspender. © privat

Der Sport bewegt – Menschen und Gemüter, und das immer wieder neu. Da ist zum Beispiel die Geschichte von Anja Berthold, einer jungen Frau aus Dresden. Hobbyläuferin ist sie – und an Leukämie erkrankt. Blutkrebs also, schon wieder. Kurz vor Weihnachten erhielt die 41-Jährige erneut die niederschmetternde, die brutale Diagnose, und seitdem ist nichts mehr so, wie es die letzten vier Jahre sein konnte.

Im Dezember 2014 hatte sie die Krankheit dank Chemotherapie besiegt, wurde aus der Klinik entlassen und war zwei Monate später bereits wieder in Vollzeit arbeiten. Glücklicherweise kam sie damals ohne Stammzellspende aus – es hätte keine passende gegeben. Dem Krebs, erzählt ihre Zwillingsschwester Katja Gertel, habe Anja mit einem breiten Lächeln die Zähne gezeigt. „Ihr Zimmer war das Sonnenschein-Zimmer, sagten sie auf der Station. Anja hat denen, die kraftlos und müde waren, wieder Kraft und Mut gegeben.“ Vier Jahre Gesundheit und Glück, meint ihre Schwester, hätten ihr recht gegeben.

Anja Berthold ist wieder regelmäßig gelaufen und zuletzt im Oktober beim Adventure Walk noch 53 Kilometer von Dresden bis in die Sächsische Schweiz gewandert – mit viel Spaß, Freunden und dem stillen Begleiter Krebs. Diesmal aber werden Mut und Lebensfreude allein nicht genügen, diesmal benötigt Anja Berthold dringend einen Stammzellspender, um zu überleben. Das haben ihr die Ärzte so eindeutig mitgeteilt. „Im ersten Wurf“, sagt sie, „wurde für mich in der weltweiten Datenbank kein Spender gefunden. Dies war schon 2014 so und hat sich augenscheinlich nicht geändert.“

Ihre Zwillingsschwester scheidet inzwischen als Spenderin aus. „Leukämie lernt und kommt aggressiver zurück. Darum darf ich nicht spenden. Der Krebs denkt, ich und sie sind gleich. Meine Zellen bekämpfen ihn nicht“, erklärt Katja Gertel.

Auch Dynamos Sportchef Ralf Minge hilft

Wenn man so will, wird also ein genetischer Drilling gesucht – und das am Donnerstag im Rudolf-Harbig-Stadion mit einer groß angelegten Typisierungsaktion, die es in Dresden so noch nicht gegeben hat. Initiiert vom Verein für Knochenmark- und Stammzellspenden (VKS) und der Laufszene Events GmbH und leidenschaftlich befeuert über die sozialen Medien von Zwillingsschwester Katja.

Mittlerweile hat sie gefühlt die halbe Stadt mobilisiert, auf jeden Fall die großen Vereine. Beim letzten Heimspiel der DSC-Volleyballerinnen wurde die Aktion unter anderem publik gemacht, und auch Dynamo Dresden, allen voran Sportgeschäftsführer Ralf Minge, unterstützt das Ansinnen. „Jeder, der sich typisieren lässt, kann ein Lebensretter sein“, sagt Minge, und er betont: „Wir unterstützen die Aktion von Herzen gern und hoffen, dass sich am Donnerstag viele Menschen Zeit nehmen und so Anja Hoffnung geben.“

Von 14 bis 20 Uhr bietet der VKS die Möglichkeit der Typisierung, und nicht nur denen, die am Laufszene-Lauftreff teilnehmen. „Wir appellieren an alle Lauffreunde, deren Freunde und die Freunde der Freunde. Kommt vorbei“, wirbt Laufszene-Geschäftsführer André Egger. Der erste offene Lauftreff dieses Jahres sei ohnehin für den 10. Januar im Stadion angesetzt gewesen, erklärt er. Nun werde eben nicht nur um 18.30 Uhr eine 5- und 10-km-Runde im Großen Garten gelaufen, sondern auch 16 Uhr.

Dynamo hat außerdem kostenfreie Stadionführungen organisiert, Minge und Abwehrspieler Niklas Kreuzer stehen darüber hinaus für eine Autogrammstunde bereit. Die Macher des am Wochenende in Dresden stattfindenden Ski-Weltcups lassen sich ebenfalls typisieren und bringen Freikarten für diejenigen mit, die es ihnen gleichtun.

„Ich bin sehr dankbar, dass diese Aktion stattfindet und damit vielleicht mir und anderen, die genauso auf einen Spender warten, geholfen werden kann. Ich freue mich über jeden, der noch nicht typisiert ist und diesen Schritt nun gehen würde. Allen anderen vielen Dank für ihre moralische Unterstützung“, sagt Anja Berthold, die auch diesmal kämpft – und lacht.

Nur fällt das schwerer als beim ersten Mal. „Auch jetzt ist sie tapfer und scherzt mit allen“, sagt die Zwillingsschwester, doch sie weiß auch: „Ihre große Angst ist, dass ihre eigene Kraft diesmal nicht reichen wird, um zu gewinnen. Denn sie ist auf einen Spender angewiesen.“

Typisierung – was ist das, wie geht das?

Alle 16 Minuten erkrankt in Deutschland ein Mensch an Blutkrebs. Die Dresdnerin Anja Berthold ist damit einer von 13 000 Menschen, die jährlich mit der Diagnose Leukämie konfrontiert werden. Eine Stammzellspende ist meist die einzige Chance auf Heilung.

Typisierung – was ist das, wie geht das?

Mithilfe eines Wangenabstriches werden bei der Registrierung als Spender die körpereigenen Gewebemerkmale erfasst. Nach der Übermittlung an ein weltweites Spenderregister werden diese Merkmale mit denen von Leukämiepatienten abgeglichen.

Typisierung – was ist das, wie geht das?

Weniger als ein Drittel der Erkrankten findet allerdings in ihrer Familie einen passenden Stammzellspender. Je mehr Menschen sich also typisieren lassen, desto größer ist die Überlebenschance.

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